Pressemitteilung upm

Der weiche Kämpfer

Dong Hyeon Yun, Mitarbeiter der Studienberatung, gibt Kurse beim Hochschulsport

Münster (upm), 09. Januar 2012

Studienberater Dong Hyeon Yun gibt Kurse beim Hochschulsport der Universität Münster
Studienberater Dong Hyeon Yun gibt Kurse beim Hochschulsport der Universität Münster Foto: WWU - Peter Grewer

Dong Hyeon Yun zieht eine Grenze zwischen zwei Welten, zwischen der hektischen, rastlosen Welt außerhalb und der Welt der Entspannung, der Langsamkeit, der Welt des Taijiquan innerhalb des kahlen Fechtraums am Horstmarer Landweg. Er schließt die Tür und zeigt seinen Schülern eine klassische Schrittfolge, ganz langsam, vorwärts, rückwärts, nach links, nach rechts. "Wir wollen", sagt Don Hyeon Yun, "die Luft in diesem Raum nicht verletzen. Stünden hier Kerzen, sie dürften nicht flackern."

Dong Hyeon Yun ist 42 Jahre alt und arbeitet als Informationsmanager in der Zentralen Studienberatung der Universität Münster. Er stammt aus Südkorea, vor 15 Jahren kam er nach Münster. Er verließ Seoul zusammen mit seiner Frau, um hier zu promovieren. "Ich war ein sehr ruhiger Junge, und meine Eltern schickten mich in eine Kampfsportschule, um Taekwondo zu lernen", erzählt Dong Hyeon Yun. Er war zehn Jahre alt, seine Heimat damals wie heute geteilt in Nord und Süd, in Diktatur und Demokratie. Sich verteidigen und Schwache schützen zu können, das habe man in seiner Generation für wichtig gehalten.

Davon sind die 20 Studierenden, die jetzt versuchen, ihrem Lehrer zu folgen und in die Welt der inneren Kampfkunst einzutauchen, noch weit entfernt. Er macht es vor, sie machen es nach – versuchen es zumindest, Schritt für Schritt. Es sieht nicht sehr kompliziert aus, aber viele kommen durcheinander. Sie leben den Sport nicht, zumindest noch nicht, sondern versuchen, ihn auswendig zu lernen, verkrampfen, werden schneller statt langsamer, konzentrieren sich auf andere statt auf sich. Sie sind noch nicht angekommen in der Welt des Taijiquan.

Ganz im Gegensatz zu Dong Hyeon Yun. In diesem Jahr hat es der er geschafft, als Meisterschüler in der 16. Generation der Wudang-Xuanwupai-Kungfu-Richtung angenommen zu werden. Vor fünf Jahren hatte er sich das erste Mal aufgemacht nach China ins Wudang-Gebirge, dorthin, wo Taiji im 13. Jahrhundert entstanden sein soll, als der daoistische Mönch Zhang Sanfeng der Legende nach den Kampf zwischen einer kleinen Schlange und einem gewaltigen Kranich beobachtete. Yun besuchte die ehrwürdige Wudang-Xuanwupai-Schule und Kurse von Schulleiter Meister Tian, dessen Meisterschüler er nun ist. Eine große Auszeichnung nach 30 Jahren Training: In Deutschland gibt es nur drei Meisterschüler in diesem Wudang-Stil.

"Es ist ein langer Weg. Anfänger üben erst Bewegungsabläufe, machen Entspannungs- und Atemübungen", sagt der Vater von zwei Kindern. Er nennt das "Geistesschulung", denn Taiji, wie Dong Hyeon Yun es lehrt, hat zunächst weniger mit dem Kampf gegen einen Gegner als mit dem Kampf gegen sich selbst zu tun. "Man muss lernen, sich von unnötigen Gedanken zu befreien", sagt Dong Hyeon Yun, der Taiji deshalb auch als "Kunst des Loslassens" bezeichnet. Bis tatsächlich der Kampf und dann viel mehr die Selbstverteidigung, trainiert wird, können Jahre vergehen. "Es kommt ganz darauf an, wie talentiert man ist."

Er selbst hatte Talent, sehr großes sogar, machte als Kind schnell Fortschritte. Nach Taekwondo lernte er Ba Gua Zhang, Shaolin Kungfu, Chen-Stil-Taiji, Gongkwon Yusul, Karate, Ju-Jutsu und Wudang Kungfu (Taiji, Bagua, Xingyi). "Mein Interesse, auch andere Prinzipien der Kampfkunst zu verstehen, war groß", sagt Yun, der seit 2005 Kurse beim Hochschulsport gibt. Jedes Semester trainiert er über 300 Studierende in Taekwondo, in Taiji, Taiji-Schwert, Ba Gua Zhang und Gongkwon Yusul. Demnächst würde er gern mit Xingyiquan starten.

Die Schüler im Fechtraum stehen sich jetzt paarweise gegenüber. Der eine muss dem anderen gegen die Schulter drücken, ihn schieben, ihn an den Armen ziehen. Yun führt es vor, lässt sich kräftig schubsen. Er ist dabei wie aus Gummi, steht fest auf dem Boden, nur der linke Teil seines Oberkörpers geht mit der Hand, die ihn drückt. "Wir dürfen keinen Widerstand gegen den Druck erzeugen, sondern müssen die Kraft aufnehmen und für uns nutzen." Dann zeigt er, wie man bei einem Angriff die Energie des Gegners aufnimmt, ihn praktisch ins Leere laufen lässt und explosionsartig mit doppelter Wucht zurückschlägt. Aber das, was so kinderleicht aussieht, ist für die Schüler extrem schwer, die nicht locker, sondern eher steif sind und sich bei Druck kaum auf den Füßen halten können.

"Mein Interesse, auch andere Prinzipien der Kampfkunst zu verstehen, war groß." Das, was Dong Hyeon Yun ihnen beibringt, ist Taijiquan in der ursprünglichsten Form, das Prinzip des "weichen Kampfes" mit innerer Kraft, den Gegner auskontern statt angreifen. Wer Taiji praktiziert, der zerschlägt keine Bretter mit der bloßen Faust, sondern versucht, sich auf ihnen natürlich, entspannt, locker und fließend zu bewegen. Es ist das Prinzip, das er nun als Meisterschüler in der 16. Generation versucht zu verinnerlichen und zu verbessern, um es, irgendwann, einem eigenen Meisterschüler, der 17. Generation also, zu vermitteln. "Aber soweit bin ich noch lange nicht", sagt Dong Hyeon Yun, der Alltag und Training längst nicht mehr trennt und jeden Treppenaufgang nutzt, um zu üben. Beim Kampf, den der Mönch Zhang Sanfeng beobachtet haben soll, siegte übrigens die Schlange. Sie wich dem Kranich so lange aus, bis der erschöpft das Weite suchte.

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