Pressemitteilung upm

Umzug der Götter

Teile der Abgusssammlung des Archäologischen Museums sind verliehen

Münster (upm), 07. August 2012

Dreihundert Kilo Eisen halten den vorderen Teil der Pferdeskulpturen.
Dreihundert Kilo Eisen halten den vorderen Teil der Pferdeskulpturen. Foto: WWU/Robert Dylka

Die elf Kilo schwere Totenmaske von Tutenchamun hat er schon in Händen gehalten, ebenso Krieger der chinesischen Terrakotta-Armee. Aber auch einen mit 1,2 Milliarden Euro versicherten Teilchenbeschleuniger für das Cern in der Schweiz hat er schon verpackt und transportiert. Da sind ein paar Götter ein Klacks für Kunstinspektor Matthias Szarata von der Firma Hasenkamp, die zu den Weltmarktführern in Sachen Kunsttransporte gehört. Für Prof. Dr. Dieter Salzmann und Kustos Dr. Helge Nieswandt vom Archäologischen Museum der Universität Münster dagegen ist der Umzug des Ostgiebels des Zeus-Tempels in Olympia ein aufregender Moment. Vor allem die 350 Kilo schweren Pferdegespanne müssen mit äußerster Vorsicht behandelt werden, bevor sie nach Berlin zur Ausstellung "Mythos Olympia - Kult und Spiele" gebracht werden können.

Zwar sind es nicht die Originalfiguren, sondern nur Gipsabgüsse, aber immerhin ist das Archäologische Museum die einzige Institution in Deutschland, die sowohl Ost- als auch Westgiebel besitzt. Zum ersten Mal seit den 1960er Jahren kann der Ostgiebel wieder öffentlich gezeigt werden, denn das Archäologische Museum im Fürstenberghaus ist schlicht zu klein dafür. Deshalb werden sie in einer Halle am Nienkamp gelagert, wo heute (8. August) vorsichtige Betriebsamkeit herrscht. Millimetergenau arbeiten die Männer von Hasenkamp und Restaurator Hartmann von Rüden, um die vordere Hälfte des einen Vierspänners mithilfe eines Flaschenzuges auf Vakuummatten niederzulassen. "Die werden eigentlich in der Unfallmedizin verwendet", erklärt Matthias Szarata. Sobald die Skulptur richtig liegt, wird die Luft aus den Kissen gelassen, die steinhart werden und so alle Hohlräume ausfüllen.

"Wenn Sie sich die Giebel für Ihren Garten bestellen würden", scherzt Museumsdirektor Salzmann, "müssten Sie dafür 450.000 Euro bezahlen". Allein die Restauration des Ostgiebels, die vom Berliner Martin-Gropius-Bau bezahlt wird, kostet 25.000 Euro. "Die Figuren haben im Keller des Fürstenberghauses gestanden. Dort gab es einen Wassereinbruch, der lange Zeit unbemerkt blieb.Dadurch ist die Jute im Inneren der Abgüsse ausgeblüht und hat die Oberfläche braun verfärbt", erklärt Hartmann von Rüden. Göttervater Zeus brach gar endgültig zusammen und musste neu angeschafft werden. "Ein Jahr lang haben wir auf die Statue warten müssen", erzählt Dieter Salzmann. Denn die Skulpturen werden nicht in einem Stück gegossen, sondern Schicht für Schicht. Und das dauert seine Zeit.

Passend zum Ort der Olympischen Spiele ist auf dem Ostgiebel des Tempels, der die legendäre Zeus-Statue des Phidias, eines der sieben Weltwunder der Antike, beherbergte, ein Wagenrennen zu sehen. "Die nahmen einen ganz zentralen Platz bei den Wettkämpfen ein", erläutert Helge Nieswandt. Erzählt wird von dem Rennen zwischen Pelops, der die schöne Hippodameia heiraten wollte, und deren Vater Oinomaos, der das verhindern wollte, und Pelops zum Rennen um die junge Frau herausforderte. Entstanden sind die Skulpturen des Giebels um 460 vor Christus. Bei einem Erdbeben verschüttet, wurden sie Ende der 1890er Jahre wieder ausgegraben. "Zwei Flüsse haben die Ebene von Olympia zugeschwemmt, dadurch gab es keine Nachbesiedelung. Das ist ein seltener Glücksfall: Die Figuren lagen da, wie sie beim Beben aus dem Giebel herausgefallen sind," berichtet Helge Nieswandt. Und Prof. Nieswandt ergänzt: "Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wurden antike Statuen zerschlagen, um Kalk zu gewinnen, so dass viel verloren gegangen ist."

Auch Münster hatte große Verluste zu beklagen, denn das 1883 gegründete Archäologische Museum der Universität, in dem schon früh viel Wert auf die Abgusssammlung zu Lehrzwecken gelegt wurde, wurde 1944 vollständig zerstört. Die Sammlung wieder aufzubauen, dauert bis heute an. "In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Objekte mehr als verdoppelt", schätzt Dieter Salzmann, 413 sind es insgesamt. Derzeit sind rund 100 von ihnen ausgeliehen. Nicht nur an den Martin-Gropius-Bau in Berlin, sondern beispielsweise auch an das Römer-Museum in Haltern und an die Glyptothek in München, deren Leiter ein ehemaliger Schüler Salzmanns ist. In den vergangenen Jahren sind Museen verstärkt dazu übergegangen, untereinander Exponate zu verleihen. "Die Berliner zahlen unsere Restaurierung, dafür haben sie ihre Götter nach Brasilien ausgeliehen, wo sie auf brasilianische Kosten restauriert wurden", erzählt Kustos Nieswandt.

"Ich traue mich nicht, bei den Arbeiten mitzumachen, das ist mir zu heikel", sagt er und wendet sich wieder den Männern zu, die die Statuen mit dünnem Papier und Luftpolsterfolie schützen, um sie für die Reise nach Berlin fertig zu machen. Morgen sollen sie dort ankommen, zwei Tage wird es dauern, bis der Fries aufgebaut ist. Dann können die münsterschen Figuren zum ersten Mal seit 50 Jahren wieder in der Öffentlichkeit gezeigt werden, wenn auch fern der Heimat. Die Ausstellung "Mythos Olympia" ist vom 31. August 2012 bis zum 7. Januar 2013 im Martin-Gropius-Bau zu sehen.

Archäologisches Museum