Pressemitteilung upm

Marode Lage am Spielfeldrand

Wirtschaftswissenschaftler kritisiert "prekäre Finanzlage“ in der Bundesliga und beklagt Defizite bei der Lizenzierung

Münster (upm), 20. August 2012

Bilanzexperte Dr. Christian Weber
Bilanzexperte Dr. Christian Weber Foto: WWU - Yasmine Bassen

Lizenzverweigerungen sind im deutschen Profi-Fußballbetrieb äußerst selten. Historisch betrachtet gab es in der Geschichte der 1963 gegründeten Bundesliga gerade mal vierzehn solcher Verweigerungen für den Saisonstart in die 1. oder 2. Bundesliga, meist weil die Finanzen nicht stimmten. Dennoch: "Die Finanzlage vieler Profiklubs ist prekärer denn je. Da wird nicht nachhaltig gewirtschaftet, sondern nur kurzfristig gerechnet, um die Lizenz für die nächste Saison zu bekommen. Im Ergebnis ist so auch eine Lizenzerteilung nicht damit gleichzusetzen, dass kein Insolvenzsachverhalt aktuell vorliegt oder künftig vorliegen wird", fasst Wirtschaftswissenschaftler Dr. Christian Weber (29) einige Ergebnisse seiner Doktorarbeit an der Universität Münster zusammen. Da sich in jüngerer Vergangenheit viele Klubs von eingetragenen Vereinen zu Kapitalgesellschaften gewandelt und damit stetig zu Wirtschaftsunternehmen entwickelt haben, sei ein generelles Finanz-Umdenken im deutschen Fußball längst überfällig.

Christian Weber hat für seine jüngst als Buch erschienene Dissertation "Rechnungslegung und Lizenzierung im deutschen Profifußball" am Institut für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung vier Jahre lang den Vereinen nicht nur über die Schulter geguckt, sondern auch in deren Bilanzen. Dem Betriebswirtschaftler fiel vor allem auf, "dass die Eigenkapitalquote vieler Profiklubs – ein wichtiger Indikator für langfristige wirtschaftliche Stabilität – sehr niedrig ist". Als einen Verursacher der Misere machte er schnell die deutsche Lizenzierungspraxis der Deutschen Fußball Liga (DFL) und deren Kurzsichtigkeit aus. "Für die grundsätzliche Lizenzerteilung spielen das Eigenkapital eines Klubs, das Jahresergebnis oder ähnliche Größen keine Rolle, sondern nur seine Liquidität zu einem festgesetzten Stichtag. Und die ist natürlich kurzfristig leicht manipulierbar", erläutert der Bilanzexperte. Auch der Konzernabschluss hat für die DFL keine Bedeutung, was angesichts der immer komplexeren Organisationsstrukturen vieler Profiklubs ein zunehmendes Problem darstellt.

Die Bundesliga verdammen will er auf keinen Fall. Dafür schlägt sein Herz schon seit Kindertagen viel zu sehr für das runde Leder. Es geht ihm eher um ein Umdenken in der Branche. "Das braucht sicher Zeit, aber an Veränderungen kommt man angesichts der Finanzlage vieler Vereine nicht vorbei", ist sich der 29-Jährige sicher, "auch wenn man einen Bundesligaklub nicht eins zu eins mit einem Autokonzern vergleichen kann." Zu den "Branchenspezifika" hiesiger Profiligen und damit den Unterschieden zu klassischen Unternehmen gehöre etwa, dass neben den wirtschaftlichen Erfolgen auch die sportlichen zählten, dass der Erfolg in besonderem Maße auf menschlicher Leistungsfähigkeit und körperlicher Verfassung basiere und dass zu den üblichen einschlägigen Gesetzen auch noch die verbandsrechtlichen Normen hinzukämen.

In seiner mit 300 Seiten umfänglichen Forschungsarbeit zeigt Christian Weber aber nicht nur Defizite auf, sondern berichtet auch über Wege zur faireren Kontrolle im Ligasport: "Erste positive Ansätze gibt es mit der UEFA-Initiative 'Financial Fair Play', durch die neue Verbandsnormen im europäischen Fußball geschaffen werden sollen. Allerdings befindet sich die Frage nach den wichtigen und nötigen Sanktionen, also Bestrafungen bei Nichteinhaltung des neuen Reglements, noch in der Schwebe", bedauert der Wirtschaftswissenschaftler. Zudem biete das Financial Fair Play den Vereinen derzeit noch zu viele Schlupflöcher. Das Ziel der Initiative indes sei klar, leicht verständlich und weithin bekannt: "Die Klubs sollten nicht mehr Geld ausgeben dürfen, als sie mit ihrem Kerngeschäft einnehmen."



Veröffentlichung:
Weber, Christian, Rechnungslegung und Lizenzierung im deutschen Profifußball, Lohmar/Köln 2012 (ISBN 978-3-8441-0164-5)

Dr. Christian Weber