Pressemitteilung upm

Großes Potenzial trotz Materialversagen

Russischer Humboldt-Stipendiat forscht am Institut für Materialphysik der Universität Münster

Münster (upm), 24. August 2012

Dr.  Yuriy Mitrofanov
Dr. Yuriy Mitrofanov Foto: privat

Hinter dem Begriff "metallische Massivgläser" verbirgt sich eine neue Materialklasse mit großem Potenzial für den Einsatz in der Mikroelektronik. Diese speziellen Gläser verbinden Eigenschaften von normalerweise kristallinen Metallen mit denen ungeordneter Materialien ohne Kristallstruktur, beispielsweise Polymeren oder Fensterglas. Dr.  Yuriy Mitrofanov, 27-jähriger Physiker von der "Voronezh State Technological University" in Russland , interessiert sich besonders für die Frage, wie das Material auf mechanische Belastungen reagiert und weshalb es zu Brüchen kommt. Hintergrund ist das Problem, dass die begrenzte Haltbarkeit bislang die Einsatzmöglichkeiten limitiert. Der Wissenschaftler erforscht dieses Thema nun im Rahmen eines einjährigen Stipendiums der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Gerhard Wilde am Institut für Materialphysik der Universität Münster.

Metallische Massivgläser wurden in den frühen 90er Jahren entdeckt und sind seither das Ziel vieler grundlagenphysikalischer und anwendungsorientierter Forschungsprojekte. Da die Kristallstruktur fehlt, zeigen metallische Gläser ein fast ideales elastisches Verhalten und große Abrieb- und Korrosionsbeständigkeit. Sie eignen sich gut als Diffusionsbarriere. Daher werden sie bereits in der höchstintegrierten Mikroelektronik, zum Beispiel in den heutigen Speicherbausteinen, eingesetzt sowie für winzige Bauelemente, die mechanische und elektrische Informationen verarbeiten können, sogenannte Mikro-Elektro-Mechanische Systeme.

Die fehlende Kristallstruktur hat jedoch auch einen Haken: Gläser, wie jeder sie aus dem Alltag kennt, haben nicht nur einen geringen Widerstand gegen bereits existierende Schädigungen wie Risse, sondern solche Schäden entstehen bei mechanischen Belastungen relativ leicht. Metallische Gläser bilden zunächst nanometer-dünne sogenannte Scherbänder, in welchen die Verformung lokalisiert bleibt, bis es entlang dieser Scherbänder zu Materialversagen durch Rissbildung kommt. Bei nichtmetallischen Gläsern wie zum Beispiel  Fensterglas gibt es diesen Mechanismus nicht, diese bilden sofort Risse. Aufgrund der Scherbandbildung sind die Anwendungen für metallische Gläser bis heute begrenzt und diese sind nicht so verbreitet, wie man dies aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften erwarten würde.

Weder die Entstehung noch die Eigenschaften dieser Scherbänder werden bis heute verstanden. Dennoch konnten Forscher bereits zeigen, dass durch eine Beeinflussung der Struktur der Scherbänder eine wesentliche Verbesserung der mechanischen Eigenschaften metallischer Gläser erzielbar ist. Genau an dieser Stelle setzen die Arbeiten des russischen Spitzenwissenschaftlers an. Mit einer Reihe materialphysikalischer Verfahren wird Yuriy Mitrofanov den frühen Stadien der Entstehung von Scherbändern und deren Struktur und Eigenschaften auf den Grund gehen.

Am Institut für Materialphysik sind Kompetenzen in einer Reihe physikalischer Untersuchungsmethoden vorhanden. Dazu zählen Mikrostrukturanalyse, Diffusionsmessungen mit Radiotracern und  kalorimetrische Methoden, mit denen Energieänderungen bei Phasenumwandlungen und bei Änderungen der Mikrostruktur detektiert werden. Somit stellt die Expertise am Institut eine hervorragende Ausgangsposition für eine erfolgreiche Arbeit des russischen Gastwissenschaftlers dar.

 

AG Prof. Wilde