Pressemitteilung upm

Besser mit links?

Neue Erkenntnisse zur Händigkeit im Profi-Tennis / Spieler profitieren nicht mehr von Linkshändigkeit

Münster (upm), 12. Dezember 2012

Sportpsychologe Prof. Dr. Bernd Strauß
Sportpsychologe Prof. Dr. Bernd Strauß Foto: WWU

Es ist noch nicht allzu lange her, dass Eltern Kleinkindern, die mit der linken Hand nach einem Bauklötzchen griffen, das Spielzeug in die rechte, die "richtige", Hand legten. Heute wissen die meisten, dass es so etwas wie das "böse Händchen" nicht gibt. Ganz im Gegenteil: Wissenschaftler haben belegt, dass Spieler, die in Sportarten wie zum Beispiel Tennis mit der linken Hand schlugen, einen Wettbewerbsvorteil besaßen. Mit Martina Navratilova, Jimmy Connors oder John McEnroe bestimmten in den 1970er und -80er Jahren drei Linkshänder die Szene. Neben ihrer besonderen Begabung half ihnen auch die von der Norm abweichende und für Gegner nicht so leicht lesbare Spielweise. Neueste Erkenntnisse besagen jedoch: Aktuelle Weltklassespieler wie Rafael Nadal profitieren nicht mehr von ihrer Linkshändigkeit.

Wie sich der sogenannte Linkshändervorteil im Tenniszirkus von den 1970er Jahren bis heute entwickelte und ob er überhaupt noch vorhanden ist, wurde in den vergangenen Jahren in der Forschung nicht aufgegriffen. Nun haben sich Sportwissenschaftler der Universitäten Münster und Kassel in einer Studie mit dieser wissenschaftlichen Leerstelle beschäftigt. In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt zur Händigkeit im Sport werteten sie Daten der vergangenen 40 Jahre zum Erfolg von Linkshändern im Profi-Tennis aus. In dieser Periode spielten knapp zehn Prozent aller Profis mit links. Fast 19 Prozent der Spieler, die in dieser Zeit die Weltrangliste anführten, waren Linkshänder.

"Unsere Untersuchung legt aber nahe, dass dieser Vorteil nichts Festgeschriebenes ist, sondern grundsätzlich durch professionelleres Training veränderbar ist", erklärt WWU-Sportpsychologe Prof. Dr. Bernd Strauß. So zeigten beispielsweise Auswertungen im Herrentennis für die 1970er bis 1990er Jahre einen Anstieg des Linkshänderanteils mit besserer Platzierung in den jeweiligen Jahresend-Weltranglisten. Dieser Zusammenhang konnte in den letzten Jahren jedoch nicht mehr festgestellt werden. Mit den Kollegen Prof. Dr. Norbert Hagemann und Dr. Florian Loffing aus Kassel publizierte Bernd Strauß kürzlich die Studie in der internationalen  Open-Access-Zeitschrift PLoS ONE.

Die Befunde zeigen erstmals, dass die Nachteile, die Spieler bei der Konfrontation mit einem Linkshänder haben, schwächer werden, je professioneller sie sich auf die Matches vorbereiten. "Auch heute noch empfinden viele Spieler es als unangenehm, gegen Linkshänder anzutreten, weil sie andere, nicht so leicht nachvollziehbare Bewegungsabläufe haben. Aber die Professionalisierung in der Weltspitze hat dazu beigetragen, dass Linkshänder auf dieser Leistungsebene keine nachweisbaren Vorteile mehr haben", betont Florian Loffing, der bei Bernd Strauß in der Sportpsychologie promovierte.

Das bedeutet: Spieler und Trainer entwickeln für jedes Spiel – egal ob gegen Links- oder Rechtshänder – einen individuellen Matchplan, der die eigenen Stärken und Schwächen und die des Gegners berücksichtigt. Die Spielweise des Gegners werde vor dem Spiel förmlich "seziert", um in jeder Situation, die sich im Match ergeben könnte, agieren beziehungsweise reagieren zu können. "Wenn eine Partie gegen einen Linkshänder ansteht, sucht sich das Team einen entsprechenden Trainingspartner, um die Spielsituation zu simulieren und zu trainieren", erklärt Florian Loffing. In der Weltspitze sei es heute nicht mehr möglich, sich während eines Spiels eine Strategie zu überlegen oder gar neu zu entwickeln, betont Norbert Hagemann, der sich an der WWU habilitierte. "Dafür ist Tennis ein zu schneller Sport. Die Spieler müssen vorher, durch zigtausendfaches Üben, Abläufe und Strategien so verinnerlichen, dass sie automatisch werden." Diese Übungseffekte zeigen ihre Wirkung auch gegen Linkshänder, sind sich die Forscher einig.
In einem Folgeprojekt wollen die Sportwissenschaftler testen, ob ihre Erkenntnisse über das Ausbleiben des Linkshändervorteils im Profi-Tennis auch auf andere Sportarten übertragbar sind. "Wir sind der Meinung, dass die Schnelligkeit des Sports mitentscheidend ist. Beim Tischtennis müssen Spieler noch schneller agieren und reagieren als beim Tennis. Deshalb vermuten wir, dass es dort trotz intensivem Training schwierig ist, den Linkshändervorteil zu neutralisieren", erklärt Bernd Strauß.

Alle rechtshändigen Hobbytennisspieler muss das Forscherteam übrigens enttäuschen. Wer gehofft hatte, Linkshänder hätten auch im Amateursport keinen merklichen Vorteil mehr gegenüber ihren Gegnern, liegt falsch. Auch diesen Aspekt haben die drei Forscher mit Amateurspielern untersucht. "Der Effekt neutralisiert sich zwar in der Weltspitze durch die zunehmende Professionalisierung, im Amateursport zeigt er sich allerdings sehr wohl noch", betont Bernd Strauß.


Originalquelle: Loffing F., Hagemann N., Strauss B. (2012) Left-Handedness in Professional and Amateur Tennis. PLoS ONE 7(11): e49325. doi:10.1371/journal.pone.0049325

Studie in der Open-Access-Zeitschrift PLoS ONE