Pressemitteilung upm

Keine Überfliegerin, aber außergewöhnlich gut

Die Note "sehr gut" ist in Jura eine Rarität: WWU-Studentin Johanna Göhler bekam sie

Münster (upm), 23. Mai 2013

Viel Arbeit steckt Johanna Göhler derzeit in ihre Dissertation, die sie an der University of Cambridge schreibt.
Viel Arbeit steckt Johanna Göhler derzeit in ihre Dissertation, die sie an der University of Cambridge schreibt. Foto: privat

Ich habe nicht das Gefühl, eine Überfliegerin zu sein“, sagt Johanna Göhler bestimmt und nippt an ihrem Cappuccino. Die Jurastudentin ist bescheiden und gefällt sich nicht in der Rolle der Ausnahmekönnerin, auch wenn die Fakten eine andere Sprache sprechen. Die 25-Jährige schloss ihre Erste Staatliche Prüfung der Rechtswissenschaften, das ehemalige 1. Staatsexamen, mit der Note "sehr gut" ab.

Das mag unspektakulär klingen, denn sowohl in der Schule als auch in vielen Bereichen der Universität begegnet uns diese Bewertung regelmäßig. Nicht so in der Jurawelt, hier ist diese Note eine Rarität: Rechnet man die staatliche und die universitäre Prüfung zusammen – das ergibt die Gesamtnote – , so schlossen laut Landesprüfungsamt im Jahr 2012 in ganz Nordrhein-Westfalen nur 0,3 Prozent mit der Note "sehr gut" ab. Im Bezirk Hamm, zu dem die Universität Münster zählt, waren es lediglich 0,15 Prozent. Das entspricht genau einer Person - Johanna Göhler.

"Die Examensergebnisse werden bei Juristen traditionell sehr streng vergeben, die Spitzennoten sind deshalb rare Ausnahmen", erläutert Dr. Wolf Albin, Pressesprecher des Bundesjustizministeriums. In Zahlen gesprochen schnitten laut Bundesministerium im Jahr 2011 bundesweit nur 0,3 Prozent der knapp 8000 erfolgreichen Jurastudierenden mit "sehr gut" ab, 4,6 mit "gut" und 24,4 Prozent mit der Note "vollbefriedigend". Wer von der Schule an eine rechtswissenschaftliche Fakultät wechselt muss also umdenken: Mit einer 3 gehört man nicht zum grauen Mittelmaß. Denn die Durchfallquote ist in den Rechtswissenschaften enorm: Dass ein knappes Drittel der Studierenden die Erste Staatliche Prüfung erst gar nicht besteht, ist keine Seltenheit.

"Dieses Notensystem kann schon sehr unbefriedigend sein", findet Johanna Göhler,  die inzwischen promoviert. "Es bleibt immer Luft nach oben." Das trifft für sie natürlich nicht zu. "Das ist mir aber nicht zugeflogen. Im Gegenteil: Ich habe viel dafür gearbeitet. Besonders die Kommilitonen in meiner Lerngruppe haben mich toll unterstützt", betont sie. Dass sie Talent besitzt, will Johanna Göhler aber nicht bestreiten. "Jura liegt mir!" Gefühl für Sprache, Logik und Interpretation seien die wichtigsten Faktoren, diese Mischung müsse man zusammenbringen, um in den Rechtswissenschaften erfolgreich zu sein. "Man kann jeden Sachverhalt logisch lösen, das finde ich faszinierend", erklärt sie. Die mittlerweile vielfach ausgezeichnete Studentin war nach dem Abitur gar nicht sicher, welche berufliche Richtung sie einschlagen wollte. Psychologie habe sie damals auch sehr interessiert. "Die Entscheidung für das Jura-Studium fiel aus dem Bauch heraus – eine glückliche Fügung", sagt sie schmunzelnd.

Nicht ganz so leicht fiel ihr die Entscheidung für den Studienort Münster. "Ich komme aus Havixbeck und wollte zum Studieren von Zuhause weg", erinnert sich Johanna Göhler. Die Universität Passau stand bei der Juristin hoch im Kurs, letztlich hätte unter anderem die hervorragende Bewertung der Lehre den Ausschlag für die Universität Münster gegeben. "Es ist mir schwer gefallen, in der Heimat zu bleiben. Aber wenn man eine so gute Uni vor der Haustür hat, fehlen einem einfach die Argumente, zu gehen."

Mit ihrer herausragenden Note im Gepäck stehen Johanna Göhler nun viele Türen offen. Aber sie weiß: "Natürlich gucken Arbeitgeber auf die Note, aber noch entscheidender ist die Persönlichkeit." Eine Entscheidung, in welche berufliche Richtung sie sich orientieren möchte, hat Johanna Göhler noch nicht gefällt. Das Referendariat – der juristische Vorbereitungsdienst, der mit dem 2. Staatsexamen endet – soll nach der Promotion als Entscheidungshilfe dienen. "Bislang gibt es viele Bereiche, die mich reizen. Zum Beispiel die Uni: Wissenschaft und Lehre machen mir unheimlich viel Spaß", betont sie. "Ich möchte aber noch weitere Erfahrungen sammeln, um meinen Platz zu finden."

Wenn Johanna Göhler über ihr erfolgreiches Studium und ihre beruflichen Ziele spricht, wirkt das schlafwandlerisch gelassen. Absolute Coolness oder schöner Schein? "Weder noch", erklärt sie und lacht. Vor Prüfungen sei sie genauso nervös wie viele andere Studierende auch. "Zur mündlichen Prüfung hat mich meine Schwester als seelische Unterstützung  begleitet. Dass ich vorher gut war, hat mir keine Sicherheit gegeben, sondern eher noch zusätzlichen Druck aufgebaut." Je höher man steige, desto tiefer könne man auch fallen. "Und das kann in einem Fach wie Jura schneller gehen als man denkt."

Um den Druck und die mentalen Anstrengungen auszugleichen, setzt Johanna Göhler auf körperliches Training: Laufen. Derzeit bereitet sich die 25-Jährige mit ihrem Laufpartner auf die Marathondistanz vor. Einen Halbmarathon hat sie bereits bewältigt. "Ich würde sehr gerne mal den Walt-Disney-World-Marathon in Florida laufen." Dafür trainiert sie drei- bis viermal in der Woche. Nicht nur auf der Strecke, sondern zur Abwechselung auch im Schwimmbad. Die Langstrecken liegen der Rettungsschwimmerin. "Sport mache ich aber nicht, um mich mit anderen zu messen, sondern für das gute Gefühl. Am liebsten gemeinsam mit Freunden." Bei Straßenläufen sei es vor allem die gute Stimmung unter den Läufern und an der Strecke, die sie antreibe. Viel Zeit bleibt bei all dem nicht. Nichtsdestotrotz engagiert sich Johanna Göhler in ihrer Freizeit als ehrenamtliche Tutorin bei der Bildungsberatung International der Stadt Münster. Hier unterstützt sie Kinder aus dem Ausland, die Schwierigkeiten mit der Sprache und deshalb Probleme in der Schule haben. "Man muss sich Zeit nehmen und Geduld haben. Es macht mir Freude, wenn ich sehe, dass die Kinder Fortschritte machen." Johanna Göhler weiß, wie hilfreich es unabhängig von der Lebenssituation ist, Unterstützung zu bekommen.

Von der Studienstiftung des deutschen Volkes erhielt sie für ihre rechtsvergleichende Promotion jüngst ein Stipendium - auch für das Ausland. Deshalb ist Johanna Göhler noch bis August für einen Forschungsaufenthalt an der renommierten University of Cambridge in England. Danach wird sie wieder an die Universität Münster zurückkehren. "Die Doktorarbeit steht für mich absolut im Vordergrund. Ich habe mich richtig darauf gefreut, schöpferisch tätig zu sein, und dass ich dadurch zusätzlich die Möglichkeit bekommen habe, in ein anderes Land zu gehen, war das Sahnehäubchen auf der Torte." Das Ausland, neue Erfahrungen, fremde Kulturen – das sind die Dinge, die Johanna Göhler faszinieren und ihren Wunsch, Münster nach erfolgreicher Promotion zu verlassen, bestärken. "Meine Auslandserfahrungen in Durban, Boston, New York und Rom haben mich sehr geprägt", berichtet sie. Leider sei eine der Kehrseiten der Arbeit in den Rechtswissenschaften, dass sie immer sehr spezifisch auf das jeweilige Ausbildungsland bezogen seien. "Als Juristin in ein anderes Land zu gehen, um dort zu praktizieren – das geht nicht so einfach." Es ist allerdings auch alles andere als einfach, das Juraexamen mit der Note "sehr gut" abzuschließen. Aber wem sonst sollte man es zutrauen, wenn nicht Johanna Göhler?

Von Hanna Dieckmann

Erschienen in der Mai-Ausgabe der Uni-Zeitung wissen|leben.
www.uni-muenster.de/unizeitung