Pressemitteilung upm

Gemeinsam an einem Strang

Pharmazeuten bieten einmaliges Ausbildungsprogramm an

Münster (upm), 03. Januar 2014

Manchmal reichen kleine Tipps zur richtigen Einnahme von Medikamenten, um zu verhindern, dass es Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Wirkstoffen gibt. In anderen Fällen ist eine intensive Beratung notwendig – vor allem dann, wenn Menschen viele Medikamente gleichzeitig nehmen müssen. "Ich halte es dabei für sehr wichtig, dass Ärzte und Apotheker ihre unterschiedlichen Fachkenntnisse nutzen und zusammenarbeiten", meint Gero Kamprath-Scholtz, der an der Universität Münster Pharmazie studiert hat.

Der frischgebackene Apotheker, der seit November seine Approbation in der Tasche hat, hatte als Pharmazeut im Praktikum ("PhiP") an einem Ausbildungs-Modellprojekt der WWU zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) teilgenommen. Das sogenannte Apo-AMTS-Modell, das kürzlich mit dem zweiten Platz beim Gesundheitspreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wurde, integriert das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit erstmals systematisch in die Pharmazeuten-Ausbildung. Es findet in Zusammenarbeit mit der Apothekerkammer Westfalen-Lippe statt und hat bundesweit Pilotcharakter. Im November ist die dritte Generation von "PhiPs" mit der freiwilligen Ausbildung gestartet. Das Projekt wird von wissenschaftlichen Studien flankiert.

"Die klinische Pharmazie, die sich mit der Arzneimitteltherapie des Patienten befasst, gehört erst seit einigen Jahren zum Ausbildungsplan der Pharmazeuten. Wir haben mit unserem Programm nun ein Modul entwickelt, durch das die angehenden Apotheker eine Zusatzqualifikation in der Arzneimitteltherapiesicherheit erwerben können", erklärt Isabel Waltering vom Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der WWU. Die Apothekerin, die der Arbeitsgruppe von Prof. Georg Hempel angehört, koordiniert die Umsetzung des Modells in speziell dafür qualifizierten Ausbildungsapotheken.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels nimmt die Bedeutung der Therapiesicherheit zu. Da ältere Menschen oft viele Medikamente einnehmen, leiden sie besonders häufig an Wechselwirkungen, die durch eine gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente auftreten. Andere Probleme entstehen durch eine falsche Einnahme von Medikamenten oder auch durch Fehler bei der Verschreibung, beispielsweise durch eine Verwechslung ähnlich klingender Arzneimittel. "Wir können die Probleme nur lösen, wenn die Akteure aller Gesundheitsberufe an einem Strang ziehen", meint Isabel Waltering. Neben Ärzten und Pflegepersonal müssten die Apotheker eine zentrale Rolle dabei spielen.

Im Jahr 2007 hatte das Bundesministerium für Gesundheit erstmals einen Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland veröffentlicht. Auch die nordrhein-westfälische Landesgesundheitskonferenz beschloss im vergangenen Jahr einen Katalog zur Verbesserung der Sicherheit bei der Therapie mit Arzneimitteln. "Ein zentrales Ziel ist, die Gefahr unerwünschter Wirkungen bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Medikamente zu reduzieren", heißt es im Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfalen. Bis zu fünf Prozent der Krankenhauseinweisungen seien eine Folge unerwünschter Arzneimittelwirkungen – das entspräche rund 215000 Fällen pro Jahr in Nordrhein-Westfalen.

Zum Apo-AMTS-Programm gehören Seminare, die die nötige Theorie vermitteln, aber auch Medikationsprüfungen, die die PhiPs gemeinsam mit ihrem Ausbildungsapotheker durchführen. Dazu werden sogenannte Hochrisikopatienten ausgewählt, die mehr als fünf Medikamente dauerhaft nehmen müssen. "Ich habe mit den Kunden einen Gesprächstermin vereinbart, zu dem sie neben den von ihren Ärzten verschriebenen Medikamenten auch alle Präparate mitbrachten, die sie in Eigenregie einnahmen. Das konnten zum Beispiel Schmerzmittel oder Mineralpräparate sein", erinnert sich Gero Kamprath-Scholtz. "Wir haben die korrekte Einnahme und eventuell auftretende Probleme bei der Anwendung erörtert und mögliche Wechselwirkungen beachtet. Auf dieser Basis haben wir Medikationspläne erstellt. Waren Anpassungen der Medikation nötig, haben wir diese in Rücksprache mit den behandelnden Ärzten vorgenommen." Am Ende einer solchen Überprüfung steht ein weiteres, abschließendes Gespräch, bei dem der Patient seinen neuen Medikationsplan erhält.

Die Medikationspläne sollen im Rahmen des Aktionsplans gerade den Patienten helfen, die eine Vielzahl an Medikamenten nehmen müssen. In den Plänen werden im Idealfall unter anderem alle eingenommenen Medikamente vermerkt. "Unsere Forschung zeigt, dass es in der Praxis hierbei jedoch hapert. Beispielsweise fehlen häufig jene Medikamente, die die Patienten ohne Rezept erhalten und auf eigene Faust nehmen", erklärt Georg Hempel. Die Forschungsergebnisse fließen daher in die Konzipierung des Ausbildungsprogramms ein, beispielsweise, um die Kriterien für die Medikationsprüfungen festzulegen.

Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, die die Ausbildung durchlaufen haben, dürfen sich "AMTS-Manager" nennen – ein Titel, der für drei Jahre gilt und durch Auffrischungskurse verlängert werden kann. Im Durchschnitt entschieden sich bislang rund 50 Prozent der "PhiPs" eines Jahrgangs für eine Teilnahme an dem Programm. Auch die Ausbildungsapotheken profitieren: Sie haben die Gelegenheit, Mitarbeiter zu entsenden, die gemeinsam mit dem Pharmazeuten-Nachwuchs an dem Programm teilnehmen. Dadurch können sie das Siegel "AMTS-qualifizierte Apotheke" erwerben. "Die Akzeptanz bei den Apotheken in Münster ist groß – immer mehr wollen mitmachen und von der Zusatzqualifikation profitieren", sagt Isabel Waltering.
"Ich bin froh, die AMTS-Ausbildung gemacht zu haben", erklärt auch Gero Kamp-rath-Scholtz, der im Januar die Apotheke seiner Familie in Münster-Hiltrup übernehmen wird. "Ich habe mich dafür entschieden, weil ich das Beratungskonzept für sehr sinnvoll und wichtig halte. Ich freue mich darauf, es den Kunden in meiner Apotheke anbieten zu können."

Von Christina Heimken

Dieser Artikel ist in der Dezemberausgabe der Uni-Zeitung wissen|leben erschienen (www.uni-muenster.de/unizeitung)

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