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Münster (upm/fs)
Mit Leidenschaft gestaltet Prof. Reinbert Evers seine Konzerte – an der Gitarre fasziniert ihn vor allem der Klang.<address>© Donatas Bagurskas</address>
Mit Leidenschaft gestaltet Prof. Reinbert Evers seine Konzerte – an der Gitarre fasziniert ihn vor allem der Klang.
© Donatas Bagurskas

Die Gitarre setzte sich gegen den Kontrabass durch

Reinbert Evers feiert das 40-jährige Jubiläum seiner Professur – Porträt eines Musikliebhabers

Evers bohrt Löcher in Gitarre“: So titelte ein Redakteur der Lokalpresse, als er vor einigen Tagen über das Semestereröffnungskonzert der Musikhochschule Münster berichtete. Zum Glück verlief der Abend nicht so dramatisch wie die Überschrift suggerierte. Der Journalist spielte mit seiner Überschrift auf eine Anekdote von Stephan Froleyks an. Der Prodekan der Musikhochschule berichtete dem erstaunten Publikum, wie der Gitarrenprofessor Reinbert Evers bei einem gemeinsamen Konzert sein Instrument zerstörte. Und die Geschichte stimmt: Reinbert Evers bohrte in seine allererste Schülergitarre Löcher – der Komponist verlangte genau das. Leicht fiel ihm die Entscheidung damals allerdings nicht. „Ich habe großen Respekt vor Instrumenten. Aber die alte Gitarre hing an der Wand und war ohnehin nicht mehr spielbar. Ich habe sie gefragt, ob sie nochmal mit auf die Bühne will. Sie sagte ja und ich meinte: Es wird wehtun“, erzählt Professor Reinbert Evers und lacht.

Normalerweise lehnt er alles ab, was seine Instrumente in Gefahr bringt. Auch wenn er eine Vorliebe für neue Musik hat, die Ungewöhnliches von der Gitarre und ihrem Instrumentalisten verlangt. Ein zeitgenössisches Stück von Hans Werner Henze inspirierte ihn sogar zu einer Musikinstrumente-Sammlung, weil der Gitarrist zugleich Dirigent und Schlagzeuger ist. „Ich habe das Stück selber gespielt und direkt danach angefangen, Schlaginstrumente aus aller Welt zu sammeln, zum Beispiel asiatische Gongs.“

Seine große Liebe gehört allerdings der Gitarre. Alles begann mit einem Besuch bei Verwandten seines Vaters. „Ich war neun Jahre alt, als ich sie auf dem Land besucht habe. Im Haus lag eine Gitarre herum – die hat mich sofort fasziniert“, erzählt Reinbert Evers. Nun ist er 66 Jahre alt und feiert in diesem Semester das 40-jährige Jubiläum seiner Gitarrenprofessur – ein vergleichsweise seltenes Jubiläum für einen Hochschullehrer. „Bis ich anfing, Gitarre zu studieren, gab es allerdings noch einige Umwege“, meint er.

So war Gitarre in den 60er Jahren eher ein Nischeninstrument, es gab kaum Lehrer dafür. Deshalb brachte sich Reinbert Evers das Gitarrespielen selber bei. Mit Vierzehn kam ein weiteres Instrument dazu: der Kontrabass – mit richtigem Unterricht. Nach dem Abitur wollte Reinbert Evers Musik studieren, seine Eltern plädierten für den Beruf des Lehrers. Genau ein Semester hielt er das Schulmusik- Studium durch. Dann wurde es ihm zu langweilig, und er brach ab. Dafür begann er an der Ruhr-Universität Bochum ein Musikwissenschafts-, Philosophie-, und Germanistikstudium. „Zwei, drei Jahre später, nachdem ich Sommerkurse besucht und interessante Lehrer gesehen hatte, stand mein Entschluss fest: Ich will Gitarre studieren.“ Dabei ging es ihm in erster Linie darum, das Instrument und das Repertoire kennen zu lernen. Außerdem faszinierte ihn der Klang. Der Kontrabass blieb auf der Strecke.

Die Hälfte meiner Schüler war älter als ich.


Jetzt ging es plötzlich schnell: Ein Gitarrenstudium in Düsseldorf an der Robert- Schumann Musikhochschule, neun Semester später das Konzertdiplom „mit Auszeichnung“ und mit 26 Jahren Gitarrenprofessor an der Musikhochschule Münster. Dabei wollte Reinbert Evers gerne weiter studieren. „Ich handelte aus, dass ich parallel zu meiner Professur in Münster an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien mein zweites Konzertdiplom machen kann. Das war kurios: in Münster Professor – in Wien Student.“ Für Reinbert Evers war diese Karriere mindestens genauso überraschend wie für seine Eltern. „Ein bisschen komisch war das alles schon, denn die Hälfte meiner Schüler war älter als ich“, amüsiert sich der Professor.

In das Unterrichten wuchs Reinbert Evers hinein. Immerhin hatte er an Musikschulen bereits Erfahrungen als Lehrer gesammelt. Inzwischen reisen seine Studierenden sogar aus 8.500 Kilometer Entfernung nach Münster, um bei dem renommierten Professor Gitarre zu lernen. „Mein Lehrer in Südkorea hat vor 15 Jahren bei Reinbert Evers studiert. Als ich in Südkorea bei Professor Evers einen Meisterkurs gemacht habe, wusste ich, dass ich bei ihm studieren will“, erzählt der 23-jährige Gitarrenstudent Kim Haewoon. Auch nach dreieinhalb Jahren Studium ist er noch begeistert von seiner Entscheidung. „Reinbert Evers ist nicht nur Lehrer, sondern Mentor. Er fühlt sich für seine Studierenden verantwortlich. Außerdem ist er zwar streng, aber dafür sehr fair.“

Auch im 80. Lehr-Semester geht Reinbert Evers voll in seiner Arbeit auf. „Als Lehrer habe ich hier die besten Voraussetzungen. Die Studierenden machen eine harte Aufnahmeprüfung und wollen wirklich etwas lernen, wenn sie zu mir kommen.“ Besonders spannend findet er es, die jungen Gitarristen auf ihrem künstlerischen Weg zu begleiten. „Mein Ziel ist es nicht, möglichst viele berühmte Musiker auszubilden, sondern die Persönlichkeit der Studierenden neben allen Kenntnissen so zu entwickeln, dass sie ihren eigenen Weg finden.“

Wenn er nicht gerade in der Musikhochschule ist, übt er etwa 30 bis 40 Stunden pro Woche Gitarre. Bleibt da noch Freizeit? „Kaum, aber meine Frau hat Verständnis dafür, sie ist selber Pianistin“, berichtet er. Fürs Kochen nimmt er sich gerne Zeit und zaubert mediterrane Gerichte. So gut, dass selbst Stephan Froleyks während des Semestereröffnungskonzertes die Kochkünste in einem Grußwort lobte.

Auch wenn Reinbert Evers nun sein vorerst letztes Semester beginnt: An Ruhestand denkt er noch nicht. Sein Vorbild? Ein 90-jähriger Geigenprofessor, der kürzlich an der Musikhochschule einen Meisterkurs gab. „Ich möchte weiter unterrichten und auch spielen, solange es geht. Bei professioneller Musik muss schließlich auch der sportliche Aspekt stimmen.“ Langweilig wird ihm in den nächsten Semestern sicher nicht, denn auf dem Plan steht alles außer Stillstand: unterrichten, Konzerte, Bücher schreiben und Noten herausgeben.

Autorin: Friederike Stecklum

Quelle: "wissen|leben" Nr. 3, 18. Mai 2016

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