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Münster (upm/jus)
Prof. Dr. Volker Gehrau<address>© WWU</address>
Prof. Dr. Volker Gehrau
© WWU

„Familientermine sind ein Teil der Prioritätenliste“

Eine Umfrage zum Familienbewusstsein an der WWU

Was macht eine familienbewusste Hochschule aus? Ein Wissenschaftler, eine Angestellte und eine Studentin berichten von ihren Erfahrungen an der Universität Münster.

Volker Gehrau (50), Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und dort stellvertretender geschäftsführender Direktor:

"Die Universität ist aus meiner Sicht ein familienfreundliches Umfeld zum Arbeiten, wenn es entsprechend gestaltet ist. Dazu müssen aber alle bereit sein und beitragen. Meine Erfahrungen stammen aus der Zeit, als ich parallel Vater und Dekan wurde. Die wichtigste Entscheidung aus dieser Zeit war, alle Gremien und Sitzungen auf den Vormittag zu verlegen. Dadurch konnten sich alle, unabhängig von Familie und Umfang der Stelle, an Entscheidungen beteiligen, wenn sie wollten. Nur wenn Personen mit Familie mitentscheiden, werden familienfreundliche Entscheidungen getroffen.

Der zweite wichtige Punkt betrifft die informellen Strukturen beziehungsweise das eigene Denken. Die Arbeit an der Universität lässt viele Spielräume für Prioritätensetzung. Man kann hier besser als in anderen Arbeitskontexten entscheiden, wann was getan wird, solange es rechtzeitig fertig wird. Familientermine können und müssen in diese Prioritätenliste aufgenommen werden. Warum sollten die meist mit Reisen verbundenen Antrittsvorlesungen oder 60. Geburtstage von Kolleginnen und Kollegen wichtiger sein als die Geburtstage oder gar die Einschulung der eigenen Kinder? Sie sind es nicht, aber das müssen wir selbst entscheiden. Solche Entscheidungen sind oft schwer, weil wir annehmen, unser Umfeld würde sie missbilligen. Meist stimmt das aber gar nicht.

Als ich Dekan wurde, habe ich dem Rektorat mitgeteilt, dass ich meist bis 15 Uhr gut zu erreichen bin, später allerdings nur mit einer Woche Vorlauf, damit ich meinen Teil der Kinderbetreuung umorganisieren kann. Ich bin im Rektorat auf Verständnis gestoßen, und es hat diesbezüglich nie Probleme gegeben. Die Rektorin hat mir sogar gesagt, dass ich im Grunde besser zu erreichen war als viele andere. Wenn sich selbst das Rektorat im Arbeitsalltag auf familienfreundliche Vereinbarungen einstellen kann, dann sollte es auch an allen anderen Stellen an dieser Universität möglich, besser sogar üblich sein."

 

Stefanie Schläger (41), seit 1991 an der Universität Münster, derzeit als Angestellte im Dezernat 3.3 (Personalangelegenheiten):

Stefanie Schläger<address>© WWU/Julia Schwekendiek</address>
Stefanie Schläger
© WWU/Julia Schwekendiek
"Mein Mann und ich arbeiten beide seit vielen Jahren an der Universität Münster. 2004 wurde unser erstes Kind geboren, 2007 und 2009 folgten die Jüngeren. Für mich war immer klar, dass ich in den ersten Lebensjahren ausschließlich für meine Kinder da sein wollte. Deshalb habe ich für alle Kinder drei Jahre Elternzeit genommen und war somit bis 2013 zu Hause. Diese Zeit habe ich sehr genossen und bin froh, dass ich diese Möglichkeit hatte. Die Mitarbeiter des Personaldezernats haben mir bei allen Fragen weitergeholfen und mich bei Anträgen für die Beurlaubungen unterstützt.

2013 bin ich – nach neun Jahren und etwas aufgeregt – wieder in den Beruf eingestiegen. Auch hier war das Dezernat 3 sehr bemüht, den richtigen Platz für mich zu finden. Dass zufällig in meinem alten Schaffensbereich jemand aus Altersgründen ausschied, war ein glücklicher Umstand für mich.

Da wir in Senden wohnen, sind wir darauf angewiesen, dass ich meine Arbeitszeit flexibel gestalten kann, um auf die familiären Belange eingehen zu können: mal wird ein Kind krank, mal fällt die Übermittagsbetreuung aus ... Die Reduzierung auf eine halbe Stelle war unumgänglich, aber kein Problem. Ich konnte sogar meine Arbeitszeit auf vier Arbeitstage verteilen. Dies hilft mir sehr bei der Gestaltung des Alltags mit der Familie. Dafür bin ich auch meinen Kollegen sehr dankbar, denn ohne ein großes Miteinander ginge es nicht.

Alles in allem ist es natürlich Stress: pünktlich bei der Arbeit zu sein und pünktlich wieder zu Hause, immer alles im Griff zu haben und dabei alle zufrieden zu stellen. Ich würde mich aber immer wieder für genau diesen Stress entscheiden, auch wenn die grauen Haare mehr werden und die Nerven weniger ... Es ist ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden: zu Hause und bei der Arbeit. Daher bin ich froh, dass man an der Universität Münster INDIVIDUALITÄT noch groß schreibt."

 

Paula Hesse (28), Medizin-Studentin im neunten Semester und Mitarbeiterin der Initiative "MitKind" der Medizinischen Fakultät:

Paula Hesse<address>© privat</address>
Paula Hesse
© privat
"Ach ja, hätte ich es doch auch mal so gemacht! Diesen Satz höre ich häufig, wenn ich mich mit Ärzten darüber unterhalte, dass ich meine beiden Kinder während meines Medizinstudiums bekommen habe. Mein Sohn ist zwei Jahre, meine Tochter fünf Monate alt. Es war eine harte Umstellung vom normalen Studentenleben auf das einer studierenden Mutter. Man lernt, in der knappen Zeit neben der Kinderbetreuung sehr effektiv zu arbeiten. Kaum zu glauben, aber meine Noten sind trotzdem im Schnitt zuletzt besser geworden. Der Ansporn ist mit Kindern natürlich größer, lerne ich doch indirekt auch, um sie bald finanziell gut abgesichert zu wissen.

Für mich der größte Vorteil der frühen Elternschaft: Ich habe Zeit für die Kleinen. Ich kann meinen Sohn meistens schon um 16 Uhr abholen und die Spielplätze mit ihm unsicher machen. Ich kann meine kleine Tochter fast den ganzen Tag um mich haben, obwohl ich ganz normal weiter studiere. Ich nehme sie einfach mit zum Campus. Die meisten Dozenten freuen sich über die Abwechslung. Bei welcher Arbeitsstelle wäre das möglich?

Ich will Gynäkologin werden. Als operatives Fach ist die Frauenheilkunde nicht gerade als familienfreundlich bekannt. Jetzt im Studium muss ich mir noch keine Gedanken um die Betreuung während meiner 24-Stunden-Schichten machen. Das erleichtert besonders die ersten zwei Jahre mit Kind.

Natürlich könnte es uns Studierenden mit Kindern noch einfacher gemacht werden. Am medizinischen Campus entsteht gerade neben schon vorhandenen Wickelmöglichkeiten ein Eltern-Kind-Raum. Es wäre eine große Hilfe, wenn man das Studium noch mehr ins Wohn- und Kinderzimmer holen könnte. Bei uns macht es die Klinische Chemie vor: Alle Vorlesungen werden gefilmt und sind online abrufbar. Es gibt noch viel zu tun, aber es ist auch an uns Eltern, auf Probleme hinzuweisen und an Lösungen zu arbeiten. Trotzdem ist das Studium für mich schon jetzt der beste Zeitpunkt, um in ein Leben mit Kind zu starten."

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 6, 12. Oktober 2016.

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