Kollegtagung 2016: Misstrauen rückt in den Fokus der Vertrauensforschung

[05.10.2016] Misstrauen in die Medien, Vertrauen in die Wissenschaft und Vertrauensbeziehungen in der internationalen Politik - diese Themen standen unter anderem auf der  ersten Kollegtagung des Graduiertenkollegs "Vertrauen und Misstrauen in einer digitalisierten Welt" im Mittelpunkt. Vom 28. bis 29. September 2016 tauschten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Thema "Vertrauen und Misstrauen in einer digitalisierten Welt - disziplinäre Zugänge" aus. Neun renommierte Vertrauensforscher aus unterschiedlichen Disziplinen stellten die Ergebnisse ihrer Forschung vor und diskutierten im Anschluss mit den rund 50 Zuhörern. Dabei wurde deutlich, dass Misstrauen zunehmend in den Fokus der Vertrauensforschung rückt. Es bestätigte sich zudem, dass der interdisziplinäre Austausch auch zukünftig für die Vertrauensforschung erfolgsversprechend sein wird.

Kollegtagung Blöbaum
© Graduiertenkolleg

Der Kommunikationswissenschaftler und Sprecher des Kollegs, Prof. Dr. Bernd Blöbaum, eröffnete die Kollegtagung mit seinem Vortrag „Vertrauen und Misstrauen durch und in Medien. Zur ambivalenten Rolle des Journalismus“ und referierte über die bislang relativ vernachlässigte Kategorie des Misstrauens in der Forschung und darüber wie man beispielsweise dem Vertrauensverlust im Journalismus entgegenwirken kann.

Kollegtagung Möllering
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Im zweiten Vortrag „Vertrauen und Misstrauen als Prozess“ machte der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Guido Möllering der Universität Witten/Herdecke deutlich, weshalb Vertrauen und Misstrauen stärker als Prozesse verstanden werden sollten.

Kollegtagung Baurmann
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Der Soziologe Prof. Dr. Michael Baurmann sprach in seinem Vortrag „Die Dynamik epistemischen Vertrauens (und Misstrauens)“ darüber, wie in einem mehrstufigen Prozess bereits kleine Veränderungen in Vertrauensbeziehungen die Überzeugungen in Gruppen ändern können und veranschaulichte dies am „Pegida-Prozess“.

Kollegtagung Hasenclever
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In seinem Vortrag „Vertrauen in der internationalen Politik“ verdeutlichte der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Hasenclever von der Universität Tübingen die signifikante Rolle von Vertrauen in der internationalen Politik und stellte eine Studie vor, in welcher in den Jahren 2000 bis 2014 mithilfe von diskursbasierten Indikatoren das Vertrauen von Deutschland in die Außenpolitik der USA untersucht wurde.

Kollegtagung Podiumsdiskussion
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In der Podiumsdiskussion, die von Prof. Dr. Bernd Blöbaum moderiert wurde, erklärte der Transplantationsmediziner Prof. Dr. Norbert Senninger vom UKM Münster, dass  die gesunkene Zahl an Spendern in Deutschland sicherlich auch mit einem gesunkenen Vertrauen zu tun habe. Das persönliche, auf den jeweiligen Patienten  eingehende Gespräch mit dem Arzt sei die wichtigste vertrauensschaffende Maßnahme in der Arzt-Patienten-Beziehung. ZdK-Präsident und Landtagsabgeordneter Prof. Dr. Thomas Sternberg berichtete von seinen Erfahrungen mit Fehlinformationen über seine Person oder zu seinen Äußerungen, die sich im Internet schnell verselbstständigten: „Wie man dem begegnen kann, bewegt mich sehr, denn mit objektiven Informationen kommt man da oft gar nicht mehr gegen an.“

Kollegtagung Bromme
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Den zweiten Tag der Kollegtagung begann Antragsteller und Psychologe Prof. Dr. Rainer Bromme mit seinem Vortrag „Gewissheit und Skepsis: Vertrauen in (der) Wissenschaft“, in welchem er über die Herausforderung sprach, zu beurteilen, welchen Quellen man im Internet bei alltäglichen Problemen vertrauen und als relevant und wahr bewerten kann.

Kollegtagung Wiesemann
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Prof. Dr. Claudia Wiesemann von der Universitätsmedizin Göttingen zeigte in ihrem Vortrag „Vertrauen als moralische Praxis – Bedeutung für Medizin und Ethik“, wie sich das Vertrauensverhältnis in die Medizin im Wandel der Zeit, vom 18. zum 21. Jahrhundert, geändert hat und welche Faktoren dafür entscheidend waren.

Kollegtagung Schweer
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Der Psychologe Prof. Dr. Martin Schweer von der Universität Vechta stellte in seinem Vortrag „Vertrauen und Misstrauen - Theoretische Verortung und ausgewählte empirische Befunde aus differential-psychologischer Perspektive“ Befunde aus verschiedenen Studien vor, die unter anderem zeigen, dass die wahrgenommene Fürsorge des Arbeitsgebers einen zentralen Faktor bei (fehlendem) Vertrauen bei Mitarbeitern darstellt.

Kollegtagung Richter
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In ihrem Vortrag „Copy and paste faith: Vertrauen in den Avatar“ referierte die Theologin Prof. Dr. Cornelia Richter über Projektion und Konstruktion von Gottesbildern und Avataren und stellte die Frage, ob Jesus Christus als Avatar Gottes angesehen werden kann.

Kollegtagung Hartmann
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Im letzten Vortrag der Kollegtagung „Vertrauen gegen seine Liebhaber verteidigt“ fragte der Philosoph Prof. Dr. Martin Hartmann von der Universität Luzern, ob die Gesellschaft überhaupt Vertrauen braucht und sprach von dem Paradox, dass einerseits alles dafür getan wird, die Bedingungen für Vertrauen zu schaffen, andererseits jedoch Anstrengungen unternommen werden, Vertrauen überflüssig zu machen, z.B. durch die Etablierung von Kontrollmechanismen.