Research Cloud 9 Lokalismus und lokaler Raum

In der historischen Globalisierungsforschung gilt das Lokale als Verhandlungsraum, in dem sich weltumspannende Netzwerke in gelebte Alltagswelten übersetzen, mit wechselseitigen glokalen Verflechtungen zwischen lokaler und globaler Welt. Gerade im Vergleich zu der methodisch wie theoretisch inspirierten, internationalen Diskussion globaler Paradigmen ist das wissenschaftliche Interesse an einer konzeptionellen Verortung des Lokalen aber bislang gering und eine systematische, innovativ angeleitete Debatte steht weiterhin aus. In gegenwartsgespeisten Modellen werden im Lokalen historisch verkürzend vor allem Abwehrstrategien gegen die seismischen Veränderungen der Globalisierung formuliert – eine Denkfigur, die ihrerseits vom Primat des Globalen aus gedacht ist.

Die Research Cloud Lokalismus und lokaler Raum steuert eine kategoriale Neubestimmung an. Die Annäherung an die transhistorischen und auch transkulturellen Phänomene Lokalismus, Lokalität und lokaler Raum erfolgt über ihre konsequente Historisierung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf vormodernen Konstellationen. Ausgangspunkt ist die Frage nach der inhärenten Qualität des Lokalen als dynamische Größe mit formativer Kraft für jede Form gesellschaftlichen Handelns, in Religion, Politik, Wirtschaft und Kultur.

Bei ihrer Neubestimmung verfolgt die Cloud zum einen das Ziel, einen Überblick über bestehende theoretische Konzepte des Lokalen zu gewinnen. Neben postkolonialen Ansätzen, die den Perspektivenwechsel zur ‚Globalisierung von unten’ (Arjun Appadurai) und einer neuen ‚Globalektik’ (Ngũgĩ wa Thiong’o) schaffen, treten Modelle um die Diskussion der Materialität lokaler Kultur und ihrer Wechselwirkung bzw. Verwobenheit mit globalen Strömungen (Tamar Hodos; Peregrine Horden und Nicholas Purcell). Ein drittes Feld betrifft schließlich die im Zuge des spatial turn völlig neu ausgemessene Relevanz des Lokalen als Performanzraum, in dem alle wesentlichen Praktiken zur Herstellung von gesellschaftlicher Kohärenz und zur Kommunikation von Kultur insgesamt angesiedelt sind (Barbara Stollberg Rilinger, Karl-J. Hölkeskamp).

Zur Erweiterung gegenwärtiger Konzeptualisierungen – und wiederum im Gegensatz zu Lesarten, die ‚lokal’ automatisch als inferioren Gegenpart globaler Taxonomien verstehen – soll im Rahmen der Zusammenarbeit zum anderen den ontologischen Qualitäten des Lokalen nachgespürt werden. Der Fokus richtet sich zunächst auf drei Felder: die Fähigkeiten des Lokalen, (1) einen aktiven Dialog mit Raum (imaginiert-metaphorisch, physisch-geographisch) zu ermöglichen; (2) eine besondere Form gesellschaftlichen Wissens zu generieren, das seinerseits den lokalen Raum priorisiert; und, (3) im Gegenzug, aus diesem Raum Handlungsanleitungen zu extrapolieren, die in dramatisch akzelerierten Wandlungsprozessen Orientierung bieten.

Koordination der Research Cloud 9: