(B2-8) Moses und David: Ambige Typologien für Patriarchen und Kaiser in Byzanz

B2-8 Projektseite Johannes Der Taeufer Kroent Alexandros I
Johannes der Täufer krönt Alexandros I. (912/913)
© Dumbarton Oaks Research Library and Collection, Washington DC

Patriarch und Kaiser wirkten nicht nur in der Öffentlichkeit mit- und gegeneinander, das Verhältnis drückte sich auch auf anderen Ebenen aus. Das Bild des idealen Kaisers bzw. die Kaiserpropaganda sind sowohl durch piktorale als auch durch schriftliche Zeugnisse zu fassen und auch teilweise erforscht. Das „Image“ und die mediale Figuration des Patriarchen hingegen sind stiefmütterlich behandelt worden, da es so gut wie keine bildlichen Darstellungen gibt und man überwiegend auf schriftliche Zeugnisse angewiesen ist. Anders als beim Kaiser ist auch das öffentliche Auftreten des kirchlichen Oberhauptes nicht eigenständig behandelt worden.

Im Lauf der Jahrhunderte hat sich aber auch ein patriarchales Idealbild herausgebildet, das im zwölften Jahrhundert in einer reichen Patriarchenpanegyrik kulminiert und deutlich fassbar wird; dabei ist eine Konkurrenz zur kaiserlichen Eulogie festzustellen, was wiederum die Positionen der beiden Mächte im Staatswesen erkennen lässt. Beide Institutionen wirken etwa philanthropisch, wobei sich dieses Ideal unterschiedlich äußert: Der Kaiser stiftet Materielles, während sich der Patriarch um das spirituelle Heil kümmert.

Bei der Typologisierung greift man sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Milieu auf Figuren des Alten und Neuen Testaments zurück. Die Ambiguität der biblischen Protagonisten, insbesondere David und Moses, erlaubt die Verwendung in beiden Bereichen – dieser Prozess lässt sich schon in der Spätantike feststellen, ist aber für die mittelbyzantinische Zeit noch nicht systematisch erforscht. Seit der Zeit der Kirchenväter wird auch Johannes Prodromos als das Modell eines idealen Bischofs angesehen. Doppeldeutigkeit (amphoteroglossia) ist ein Kennzeichen byzantinischer rhetorischer Literatur und lässt sich auch hier fassen.

Projektschritte:

  • Da nur auf Basis der schriftlichen Überlieferung ein ausgewogener Vergleich möglich ist, werden historiographische, hagiographische und sonstige rhetorische Werke ausgewertet sowie nicht veröffentlichte Quellen erschlossen.
  • Untersuchung der Veränderung bzw. Dehnbarkeit von Motiven und Typologien alttestamentlicher Gestalten in der Panegyrik und Eulogie sowie Prüfung von kaiserlichen und patriarchalen Reservaten.
  • Vorstellungen des idealen Patriarchen als Gegenpart zum Kaiser – was ist die Qualität eines kirchlichen Oberhauptes im Gegensatz zu einem Kaiser?
  • Die Mehrdeutigkeit der Leitgestalten des Alten Testaments eröffnet zwar Spielräume in der rhetorischen Gestaltung, das byzantinische politische/ideologische System wird aber als eine Einheit verstanden.

Das Projekt ist Teil der Koordinierten Projektgruppe Mediale Figurationen des Politischen und des Religiösen.

Transformationen des Märtyrerbegriffs in mittelbyzantinischer Zeit (Teilprojekt im Rahmen der Koordinierten Projektgruppe „Martyrium und Märtyrerkult“)

Nach Anerkennung des Christentums als Staatsreligion lebten der Märtyerbegriff und die Märtyrerverehrung auch im byzantinisch (orthodox) geprägten Osten weiter. Dabei kam es zu einer Bedeutungserweiterung bzw. einer Betonung der ursprünglichen Konnotation des Wortes martys („Zeuge“), was sich durch das Epitheton „Homologetes“ (“Bekenner/in“) zeigt.

In der mittelbyzantinischen Geschichte stößt man innerhalb des Reiches und auch durch die Kontakte mit außerbyzantinischen Mächten auf Entwicklungen, die das Auftreten von Märtyrern im eigentlichen (vorkonstantinischen) Sinne begünstigten.

  • Das byzantinische Reich erlebte während des Ikonoklasmus (726-843) eine glaubens- und reichspolitische Krise. In der Rückschau fand man viele Bekenner zur Bilderverehrung, die verstümmelt wurden oder sogar ihr Leben hingeben mussten. Danach gab es innerhalb der Grenzen der byzantinisch dominierten Welt kaum mehr Märtyrer, bei den gelegentlich auftretenden häretischen Strömungen hütete sich die „staatliche“ Gewalt, unüberlegt Hinrichtungen ohne normative Verfahren vorzunehmen. Als ein neues Phänomen entstand ab dem 4. Jh. der Typus des „Heiligen Mannes“ bzw. der „Heiligen Frau“, dessen/deren Auftreten im 12. Jh. einen letzten Höhepunkt erreichte. Ähnlich wie die Styliten der Spätantike taten sie ihr Bekenntnis zu Gott öffentlich und publikumswirksam kund.
  • Märtyrer und Bekenntnis mit dem Einsatz des eigenen Lebens findet man auch in den Gebieten, die die byzantinische Zentralmacht verlor bzw. wo es zu Konflikten mit andersgläubigen Bevölkerungen kam (südlicher Balkan oder in den östlichen Grenzregionen).

Ziel des Projektes ist es, zunächst den Wechsel, die Dehnbarkeit und die Transformation des Märtyrerbegriffes zu behandeln; in einem weiteren Schritt sollen die Wellen von hagiographischer bzw. Märtyrerliteratur untersucht und in Relation zu möglichen gesellschaftlichen Stimmungen bzw. Bedürfnissen gebracht werden (Anstieg der Produktion von Märtyrer- und Heiligenviten nach dem Ikonoklasmus). Weiters soll überprüft werden, ob sich auch eine Verschiebung der Einstellung zu (physischer) Gewalt feststellen lässt.

Zu untersuchen ist auch, ob und wie von kirchlicher oder staatlicher Seite das Märtyrertum auch instrumentalisiert wurde, denn Märtyrer- und (Heiligen)Beschreibungen dienten nicht nur der Festigung des Glaubens, sondern transportierten auch subtil kaiserliche Propaganda. Zudem kommt Märtyrer und Heiligen autoritative Funktion zu, die es ihnen ermöglichte, zwischen den Machtpolen  – gleichsam außer- oder oberhalb stehend – zu vermitteln.


Das Projekt ist Teil der Koordinierten Projektgruppe Martyrium und Märtyrerkult.