uni kunst kultur-Magazin - Sommer 2024
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Das Leben in einer Stadt braucht mehr als nur ein Dach über dem Kopf

Zur Situation offener Kulturräume in Münster
Das Hansafloß während der Eröffnungsparty
© Hansafloß

Blickt man am Haus Frauenstraße 24 empor, fällt der Blick auf die reich verzierte Altbaufassade – und auf ein Banner: „Freiräume erhalten: gazo und pg retten!“ Dass das einzige Haus in der Frauenstraße, das im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde, als denkmalgeschütztes Gebäude, Wohn- und Kulturraum erhalten blieb, ist dem jahrelangen Kampf der Hausbesetzer:innen, des AStAs und vieler Unterstützer:innen aus der Stadtgesellschaft zu verdanken. Anlässlich des 50. Jahrestags der Besetzung erinnerte gerade eine Ausstellung im Stadtmuseum an diese bewegte Geschichte.

Auch ein halbes Jahrhundert später kämpfen junge Menschen um Räume in Münster: „Träume brauchen Räume!“ Dieser Slogan prangte am 7. Januar 2024 auf einem Banner am Paul-Gerhard-Haus (Instagram: @pg_muenster). Aktivist:innen hatten das seit Ende Dezember geschlossene Jugendzentrum PG besetzt, um für dessen Erhalt und das Recht auf subkulturelle Freiräume für junge Menschen zu demonstrieren. Der bisherige Träger, die evangelische Erlöser-gemeinde, hatte das Gebäude zuvor an die Franziskus-Stiftung verkauft, die es nun abreißen lässt, um einen neuen „Bildungs- und Begegnungscampus“ mit Pflegeschule zu errichten. Das PG ist hier zwar eingeplant, allerdings mit nur etwa einem Fünftel der bisherigen Fläche. Das macht eine Fortführung der bisherigen Arbeit unmöglich: Mit 700 Quadratmetern war das PG das größte Jugendzentrum in der Innenstadt und bot vielfältige Möglichkeiten, sich kreativ auszuprobieren und zu vernetzen: offene Tanzangebote, Jam Sessions, Impro-Theater, Proberäume für Bands, ein eigenes Aufnahmestudio, eine Holz- und Fahrradwerkstatt, einen Treff für queere Menschen, einen großen offenen Café-Bereich. „All diese Dinge sind essenziell für junge Menschen, um an Selbstbewusstsein zu gewinnen“, sagt Luisa von der Initiative „Rettet das PG“: „Das PG war kreatives Zentrum, Wohnzimmer, zweites Zuhause.“ Und das seit über 40 Jahren! Mit seiner offenen Atmosphäre und den vielen kreativen Möglichkeiten trug das PG nicht zuletzt dazu bei, junge Menschen zu ermutigen, ihren Beruf im Kulturbereich zu suchen. So etwa Alban Renz, der 2003 als Zivildienstleistender ins PG kam: „Durch das Vertrauen, das mir die Kolleg:innen des PGs entgegenbrachten, schöpfte ich den Mut, ‚out of the box‘ zu denken und nicht konventionelle Wege zu gehen – mich um ein Praktikum im Theaterbereich zu bemühen, Theaterpädagogik zu studieren, freier Künstler zu werden.“ Während des Studiums leitete er Theater-Workshops im PG, inszenierte dort seine Abschlussprüfung und ist heute als künstlerischer Leiter von Cactus Junges Theater tätig. Das besetzte PG wurde nach nur drei Tagen von der Polizei geräumt. Zurück bleibt die Frage auf einem der Banner: „Wohin, wenn nicht hier?“ Bisher ist kein alternativer Ort gefunden worden, an dem die Jugendarbeit mit den bisherigen Angeboten weitergeführt werden könnte und auch eine adäquate Zwischenlösung für die Bauphase gibt es bisher nicht.

„Junge Menschen sind vulnerabel, weil sie oft nicht mitgedacht werden und wenig Geld haben“, sagt Maria vom gazometer-Kollektiv (@gazometer_ms). „Gleichzeitig haben sie aber viel Potential, neue Ideen einzubringen und kreativ Stadt zu gestalten. Aber unabhängig von ihrem Leistungspotenzial brauchen junge Menschen vor allem Räume, um sich zu entfalten. Das klingt abgedroschen, weil wir's ständig wiederholen müssen, ist aber so.“ Auch das gazo wird es in der jetzigen Form nicht mehr lange geben, da die Stadtwerke Münster das Gelände der ehemaligen Gasspeicheranlage im Südosten der Stadt an einen Investor verkauft haben. 2021 hatten engagierte Menschen sich diesem denkmalgeschützten Ort zugewandt. Sie gründeten das gazo-Kollektiv, machten sich daran, das überwucherte Gelände von Brombeerhecken zu befreien und verwandelten den Ort in ein Begegnungszentrum, das sich als „Freiraum für Kunst, Kultur und Politik von unten“ versteht. Seitdem öffneten sich die Tore für Siebdruckworkshops, Kunstausstellungen und feministische Kneipenabende. Im Gaskessel fanden Theateraufführungen und Konzerte statt. Maria betont, dass Veranstaltungen dieser Art nicht nur für die Besucher:innen des gazos wichtig sind, sondern der eigenständige Orga-Prozess auch für das Kollektiv selbst eine große Bedeutung hat: „Für mich persönlich war es immer wieder unglaublich, selbst riesen Veranstaltungen planen und zusammen mit `nem Haufen Menschen umsetzen zu können, die einander vertrauen und sich bestärken in ihrer politischen und kulturellen Arbeit.“ Diese Selbstorganisation spielt eine zentrale Rolle: „Am gazo haben sich mehrheitlich queere Menschen in einem Kollektiv zusammengefunden. Wir entscheiden basisdemokratisch nach Konsensprinzip. Alle Kollektivis können sich nach eigenem Ermessen einbringen, einfach nur ab und zu zum Plenum kommen und mitentscheiden, in AGs Aufgaben übernehmen, bei Veranstaltungen unterstützen oder eigenständig Veranstaltungen planen. So haben wir in Selbstorganisation einen Ort geschaffen, der von Queers geplant und bespielt wird. Dadurch ist am gazo ein feministischer Safer Space für die queere Szene entstanden, der sich ebenso für eine breite Öffentlichkeit geöffnet hat und solidarische Ideen und Praktiken in die Stadtgesellschaft tragen konnte.“ Die Idee dahinter fasst Maria so zusammen: „gazo steht für partizipative und feministische Stadtentwicklung: Menschen ohne großes Einkommen oder Einfluss sollen sich in die Lage versetzen können, die städtische Umwelt, die sie umgibt, nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Wir sehen die Möglichkeit für politische und kulturelle Vernetzung in nicht-kommerziellen Orten als ein zentrales Thema neben dem Thema Wohnen. Das Leben in einer Stadt braucht mehr als nur ein Dach über dem Kopf.“ Das Projekt ist aus der „Recht-auf-Stadt“-Bewegung und im Anschluss an die Initiative Bahnstadt Süd entstanden, die sich bis zum Abriss 2019 für den Erhalt des alten Güterbahnhofs als Kulturquartier und für eine bedürfnisorientierte Stadt- und Viertelentwicklung eingesetzt hat.

Der Slogan „Recht auf Stadt“ geht auf den französischen Philosophen und Soziologen Henri Lefebvre und sein 1968 veröffentlichtes gleichnamiges Werk „Le droit á la ville“ zurück: „Für Lefebvre ist das Recht auf Stadt eine radikale Forderung nach der Um- und Mitgestaltung der Städte durch ihre Nutzer_innen, eine Wiederaneignung des städtischen Raumes. Diese hat zum Ziel, dass sich das städtische Leben am ‚Gebrauchswert‘ der Stadt für die dort lebenden Menschen orientiert“, fassen die Wissenschaftlerinnen Catarina Gomes de Matos und Alissa Starodub Lefebvres Forderungen zusammen. Ein wichtiger Begriff ist bei ihm „autogestion“ (horizontale Selbstverwaltung), den er als emanzipatorisch-politisches Konzept verwendet, „das die Nutzer_innen des Raumes zu Akteur_innen macht, die ihre Bedürfnisse an Raum und im Raum selbst definieren.“ Ob in Madrid, New Orleans, São Paulo, Istanbul oder Hamburg: Lefebvres Ideen wurden international breit rezipiert und weiterentwickelt, in der aktivistischen Praxis ebenso wie in der Wissenschaft – etwa in der kritischen Geografie und Politikwissenschaft, der Stadtsoziologie, der Bewegungsforschung, der Geschlechterforschung und in den Disability Studies. Neuere Ansätze ergänzen Lefebvres hauptsächlich ökonomiekritische bzw. antikapitalistische Position, indem sie den Fokus auf rassistische, patriarchale und heteronormative Mechanismen im Stadtraum und die sich darin zeigenden Machtverhältnisse und Ungleichheiten richten. Durch Interventionen können solche als selbstverständlich wahrgenommenen Regeln aufgedeckt und in Frage gestellt werden – so zum Beispiel, wenn beim weltweiten „Parking Day“ Parkplätze zu Aufenthaltsorten umfunktioniert werden. Solche „Orte, an denen die räumliche und soziale Ordnung in Frage gestellt werden und die Räume für alternative und widerständige Handlungsweisen eröffnen“, sind nach Lefebvre Heterotopien: „In solchen Heterotopien nimmt das, was noch nicht ist und nicht einmal als möglich erachtet wird, Gestalt an – obwohl die gegenwärtige Ordnung versucht, dies durch Kontrolle, Gesetze und Regeln zu verunmöglichen.“

Auch wenn das gazo sich nicht explizit darauf bezieht, ist es ein gutes Beispiel für eine solche Heterotopie: „Im gazo spiegeln sich Bedürfnisse wider, die von Stadt und Lokalpolitik vernachlässigt oder ignoriert werden: Gemeinschaftlichkeit ohne Ausgrenzung, Verdrängung oder Diskriminierung; ein Ausprobieren von Utopien.“ Der Versuch der „gegenwärtigen Ordnung“, dies zu verunmöglichen, zeigt sich im kräftezehrenden Kampf um den Erhalt des gazos. Dazu Maria: „Die größte Schwierigkeit war und ist die Bedrohung des Projekts durch den Verkauf des Geländes. Für die Stadtwerke (als Firma der Stadt Münster) war das stillgelegte Gelände eine Altlast. Zunächst froh, dass sich irgendwer (also wir) damit beschäftigen wollte, wurde bald klar, dass es abgestoßen und möglichst noch zu Geld gemacht werden sollte. Wir waren jahrelang damit beschäftigt, immer und immer wieder kurze Zwischennutzungsverträge mit den Stadtwerken auszuhandeln und Fördergelder zu besorgen. Ohne gesicherten Zugang zum Gelände will keine Stiftung große Fördersummen vergeben und ohne großes Kapital traute die Stadt uns die Verwaltung des Geländes nicht zu – ein Teufelskreis. Dabei wäre die Sicherung der kulturellen Daseinsvorsorge Münsters sicherlich einiges mehr wert als der Preis eines Linienbusses – zudem wurde das Gelände nämlich jetzt verkauft.“

Und wie geht es nun weiter? „Für viele von uns ist das gazometer einer der wenigen oder der letzte Grund, in Münster zu leben“, sagt Maria. „Wir wollen als Kollektiv weiter bestehen, wissen jedoch nicht genau, wie die nächsten Jahre aussehen werden. Immerhin gibt es Gespräche mit dem Investor, um eine weitere Zwischennutzung bis Baubeginn zu erreichen. Wir kommen gerade ganz frisch aus den Verhandlungen und können sagen: Es gibt zumindest noch einen weiteren (letzten) gazo Sommer! Also kommt vorbei!“

Auch das Architekturforum Münster (@ architekturforum.muenster) widmete sich in seiner Kick-Off-Gesprächsreihe „Stadt im Diskurs“ dem PG und gazo. „Aktuell passiert in Münster ganz schön viel: Vor allem Angebote, die sich an junge Menschen richten, schwinden. Gerade die Subkulturen verlieren immer mehr ihren Raum hier in der Stadt“, erklären Chantal und Lukas, Architekturstudierende und Gründer:innen des Forums: „Solche Verluste sind im Kontext Stadt vielsagend, werden aber an der Hochschule nicht genug thematisiert. Deshalb wollen wir den Fokus darauf lenken. Wem gehört eigentlich unsere Stadt? Das ist unser Leitgedanke.“ Mit dem Forum möchten die beiden einen Raum schaffen, um gemeinsam über Architektur, Stadt und Gesellschaft zu diskutieren, Wünsche zu äußern und sich gegenseitig zu inspirieren: „Im Forum sehen wir einen Gesprächsraum, der über Ästhetisches hinaus geht – der Konsequenzen durch unsere Planung thematisiert und der über den Einfluss auf Menschen spricht. Wir erhoffen uns, Menschen mit ähnlichen Interessen zusammenzubringen und eine bisher nicht vorhandene Plattform für Austausch zu schaffen.“ Architekturschaffende sehen sie hier in einer besonderen Verantwortung: „Je früher wir lernen, dass in der Architektur maßgeblich Einfluss auf Inklusion genommen werden kann, desto schneller werden Räume für alle geschaffen.“

Solch einen „Raum für alle“ möchte auch das Hansafloß bieten (@hansafloss): Das schwimmende Kulturzentrum will als gemeinnütziger Raum ein Gegengewicht zur kommerziellen und konsumorientierten Ausrichtung des Hafens bilden. „Zur Gründung kam es, als einige von uns am Hafen die Sonne genießen wollten und dabei feststellten, dass es hier keinen wirklichen Ort ohne Konsumzwang gibt, an dem es sich entspannt rumhängen lässt. Das wollten wir ändern und malten uns gemeinsam eine kleine Utopie aus. Aus diesen anfänglichen Träumen haben wir dann Wirklichkeit geschaffen. Ohne zu wissen, wie überhaupt so ein Floß zu bauen ist, wie wir Anträge auf Finanzierung schreiben, politische Veranstaltungen organisieren oder bewerben, sind wir in dieses Projekt gestartet und haben seitdem viel zusammen erreicht und Strukturen etabliert. Durch die zahlreiche Unterstützung und viele liebe Menschen, die sich ehrenamtlich engagier(t)en, schwimmt unsere kleine Utopie nun im Münsteraner Stadthafen.“ Gefördert wurde das Projekt vor allem vom Hansaforum, das sich als Initiative für partizipative und gemeinwohlorientierte Quartiersentwicklung versteht und zwischen 2019 und 2021 als Pilotprojekt vom Bund gefördert wurde. Entstanden ist das Hansaforum in der B-Side, die es geschafft hat, den Hill-Speicher am Hafen vor dem Verkauf an Investor:innen zu retten und stattdessen als selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum zu entwickeln. Im Sommer 2022 wurde das Floß mit einem Kran ins Wasser gesetzt. „Das war auf jeden Fall einer der aufregendsten Momente und mit viel Spannung verbunden, aber bis heute schwimmt das Floß munter im Hafen“, erzählt Sofia. Nach der Eröffnung startete die erste Veranstaltungsreihe, die zu Workshops, Konzerten und Kleidertausch aufs Floß einlud. „Uns ist wichtig, dass unsere Veranstaltungen von allen besucht werden können und mit möglichst wenig Hürden verbunden sind. Voraussetzung für uns ist daher, dass wir unsere Veranstaltungen kostenfrei (auf Spendenbasis) anbieten können und dass wir uns mit möglichen Barrieren auseinandergesetzt und dementsprechend nach außen kommuniziert haben. Außerdem sollen Veranstaltungen von/bei uns von einem Awareness-Team begleitet werden.“ Das Awareness-Team ist eines der festen Teams beim Hansafloß und bemüht sich darum, einen diskriminierungssensiblen Raum zu schaffen. Alle Menschen sollen sich beim Hansafloß wohlfühlen – sowohl bei den Veranstaltungen als auch im internen Team. Unabdingbar dafür sind Selbstreflexion und eine gelebte Fehlerkultur. „Wir sind uns darüber bewusst, dass wir uns alle in einem Lernprozess befinden und Fehler machen werden. Wir schaffen einen Raum, in dem Fehler angesprochen werden und Kritik erwünscht ist. Wir üben uns in radikaler Selbstkritik. Wir reflektieren unsere Privilegien und erinnern uns durch sichtbare Hinweise an die Notwendigkeit der Selbstreflexion.“ Alle zwei Wochen trifft sich das gesamte Kollektiv zum Austausch: „Welches Team braucht mehr Unterstützung? Welche Aufgaben müssen neu eingeteilt werden? Welche Bedürfnisse sind entstanden? Wo können Teams kooperieren? Was sind unsere Perspektiven? All diese Fragen werden da besprochen. Einmal im Monat findet dann unser Floßabend statt. Vor allem für neue Menschen ist das die perfekte Möglichkeit, das Floß und uns kennenzulernen. Wir sitzen zusammen, spielen und quatschen.“ Viele der beim Hansafloß engagierten Menschen sind Studierende, was von den Beteiligten durchaus hinterfragt wird: „Das Hansafloß ist ein Projekt, das von vielen Studierenden getragen wird und damit für Menschen außerhalb der Studierenden-Bubble exklusive Strukturen beinhaltet. Das sehen wir kritisch. Gerade kleine gemeinnützige Räume sollten daher ihren Raum für (politischen) Austausch mit Menschen außerhalb der eigenen Bubble nutzen.“

Ein Ort, der sich ebenfalls darum bemüht, studentisches und nicht-studentisches Kulturleben miteinander zu verbinden, ist die Baracke (@baracke.ms). Das studentische Kulturzentrum am Aasee feierte vor zwei Jahren seinen 25. Geburtstag und ist fester Bestandteil des studentischen und kulturellen Lebens in Münster. Hier finden Konzerte, Partys, Filmvorführungen und Vorträge statt, außerdem sind die Fachschaften Soziologie und Politikwissenschaft hier beheimatet. Doch auch die Baracke musste hart um ihr Bestehen kämpfen. Gegründet wurde sie 1997, als die beiden Fachschaften ihre angestammten Räume verlassen und mit dem Fachschafts-Rat-Café in einen ungenutzten Geräteschuppen hinter dem Institut für Politikwissenschaft ziehen mussten. Dort entstand das Barackenplenum, das schon bald Konzerte und andere kulturelle und politische Veranstaltungen organisierte. Als das Baudezernat der Uni 2002 die Fachschaften aufforderte, den Schuppen umgehend zu räumen, stand die Baracke kurz vor dem Aus. „Nachdem das Barackenplenum die Kündigung nicht akzeptiert hatte, ließ die Universität Strom und Wasser abstellen und schweißte zu allem Überfluss noch die Notausgangstür zu“, so ein Beitrag des Barackenplenums im Sommerheft 2004 des UniKunstKultur-Magazins. Daraufhin entschied das Plenum, die Baracke zu besetzen. Die Veranstaltungswochen „Baracke im Herbst“ erregten große Aufmerksamkeit und in den anschließenden Gesprächen konnten sich die Beteiligten auf eine Fortführung der Nutzung ‚auf unbestimmte Zeit‘ einigen. 2007/2008 verkündete die Uni jedoch erneut Abrisspläne. Nach intensiver Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit sowie kulturellen Solidaritäts-Veranstaltungen unter dem Motto „Auf die Barackaden! – Wir räumen nicht, was uns gehört“ kam in weiteren Verhandlungen mit der Uni eine Einigung zustande: Der AStA solle eine zentrale Rolle in der Verwaltung der Baracke übernehmen, außerdem werde die Sanierung des maroden Gebäudes geprüft. 2011 wurde die alte Baracke schließlich abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Und die 2004 beschriebene Grundidee der Baracke trägt bis heute: „Mit dem Barackenplenum wurde eine basisdemokratisch funktionierende Institution geschaffen, die einen in Münster einzigartigen Freiraum erhält. Konzept der Baracke sollte zu jeder Zeit sein, die Preise niedrig zu halten und nicht etablierten Veranstaltungsgruppen einen Raum zu bieten.“ Vor allem bietet die Baracke einen Raum, um sich niedrigschwellig auszuprobieren: „Als Band, die noch nie auf der Bühne stand, kann ich in die Baracke gehen, wo es in Ordnung ist, wenn nur 10 Friends kommen und ich auch kein großes Risiko eingehe, wenn ich noch sehr unsicher bin. Ich muss nichts zahlen, ich muss nur ein bisschen Aufwand reinstecken, aber dann kann ich meinen ersten Auftritt in der Baracke stattfinden lassen“, so Theo, der aktuell eine der Beauftragungsstellen vom AStA innehat. Auch die Angebote unter der Woche sind niedrigschwellig: Während der Kaffeezeiten können Studierende den Ort als Café, Lern- und Pausenraum nutzen oder Fragen an die Fachschaften stellen. „Es ist für viele Studierende sehr wichtig, diesen Raum zu haben und zwischen Veranstaltungen nicht in teure Cafés oder nach Hause fahren zu müssen.“

Von der Frauenstraße 24 bis zur Baracke: Viele der hier vorgestellten Kulturräume sind auch Stationen einer vom AStA angebotenen Fahrradführung, die unter dem Titel „Wem gehört die Stadt?“ aktuelle und historische „umkämpfte Orte“ in den Blick nimmt (@kritische.stadtfuehrung.ms). So vielfältig diese Orte im Einzelnen sind, möchten sie doch alle unkommerziell, niedrigschwellig und möglichst diskriminierungs- und barrierefrei Menschen zusammenbringen und dazu einladen, sich kreativ auszuprobieren und Stadt mitzugestalten. Und ist nicht gerade das die Grundlage einer „wehrhaften Demokratie“, von der in diesen Zeiten so viel gesprochen wird?

| Sophia Firgau, mit einem Dank an ihre Gesprächspartner:innen Luisa, Maria, Chantal, Lukas, Sofia und Theo