uni kunst kultur-Magazin - Sommer 2024
uni kunst kultur-Magazin - Sommer 2024

Frag Sophie!

Comic-Kunst trifft Wissenschaft
Gesichtsausdrücke von Sophie, Skizze (Detail) Gianluca Scigliano
© Gianluca Scigliano

Das Projekt
„Frag Sophie!“ ist ein seit 2020 laufendes Projekt der Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO), in dem mit Hilfe der Comicfiguren ‚Sophie‘ und ‚Oho‘ komplexe wissenschaftliche Inhalte bildhaft und leicht verständlich aufbereitet und in verschiedenen medialen Formaten sowie für Zielgruppen jeden Alters adressat*innengerecht vermittelt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hatte einen Ideenwettbewerb für innovative analoge und digitale Partizipationsformate und -technologien ausgeschrieben und das Projekt „Frag Sophie!“ war mit seiner Idee, eine Comicfigur zur Beantwortung wissenschaftlicher Fragen zu entwickeln, erfolgreich. An der Entwicklung waren neben der AFO zudem das Institut für Wirtschaftsinformatik (Gestaltung der Website), Prof. Dr. Julia Metag vom Institut für Kommunikationswissenschaften (Konzeption und Durchführung einer Metaanalyse zur Wirkung des Projekts) sowie Prof. Dr. Cordula Hesselbarth (Münster School of Design) und der Illustrator Gianluca Scigliano (Obscure Visions) beteiligt.

Das Konzept sieht vor, dass Bürger*innen aller Altersgruppen Sophie wissenschaftsnahe Fragen stellen, die dann von Wissenschaftler*innen der Uni Münster beantwortet werden. Auf der Projekthomepage www.frag-sophie.de werden Fragen und (Text-)Antworten veröffentlicht. Ausgewählte Themen werden als Comic umgesetzt. Bis Anfang 2024 wurden rund 600 Fragen gestellt, an deren Beantwortung sich bereits mehr als 100 Wissenschaftler*innen beteiligt haben. Nach dem Auslaufen der Startförderung konnten weitere Fördermittel eingeworben (u. a. eine BMBF-Förderung im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2022 – Nachgefragt!) und das Projekt bis heute weiterentwickelt werden. So entstanden neben den Comics weitere Materialien (u. a. Broschüren, Quiz-Kartenspiel, Mini-Bilderbuch, Postkarten). Seit 2023 werden die eingegangenen Bürger*innen-Fragen in Themenhalbjahren gebündelt (2023 I/II: „Universum“ und „Tierisch Tierisch“; 2024 I: „Freiheit“). Zu jedem Halbjahr erscheint ein Themenheft für Kinder ab acht Jahren, das neben einem Comic unterschiedliche kindgerecht aufbereitete Formate zu Wissenschaftsthemen und Forschungsaktivitäten von Wissenschaftler*innen der Uni Münster enthält. Ein primär für Erwachsene gedachter Instagram-Kanal (@frag_sophie) ergänzt die Webseite.

Wer ist Sophie? – Entstehung einer Comicfigur
Im Mittelpunkt der ersten Projektphase 2020–2021 stand die Entwicklung der Comicfigur ‚Sophie‘. Dafür konnte die AFO den Illustrator Gianluca Scigliano gewinnen, damals noch Student an der Münster School of Design. Als kreativer Kopf hinter Sophie hatte er nicht nur maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Figur(en) und Gestaltung der Comics, sondern hat bis heute großen künstlerischen und kreativen Einfluss auf die gesamte Projektarbeit sowie auf die vielfältigen, über die Comics hinausgehenden Materialien.

Am Anfang stand lediglich fest, dass die Hauptfigur der Comics eine junge Frau sein sollte, die den Namen ‚Sophie‘ trägt – ein international beliebter Mädchenvorname, der sich vom altgriechischen Wort ‚Sophia‘ ableitet und ‚die Weise‘ oder ‚die Wissende‘ bedeutet. Diese Sophie sollte repräsentativ für junge Wissenschaftler*innen der Universität Münster stehen und zugleich die Identifikation mit bzw. seitens einer breiten Bevölkerungsgruppe erlauben. Die Gestaltung der Figur war nicht nur für die Bildsprache des gesamten Projekts entscheidend, ihr Charakter war auch Ausgangspunkt für die Entwicklung der Webseite sowie der Werbekampagnen zur Bekannt- und Sichtbarmachung des Projektes in der Universität und für die breite Öffentlichkeit. „Die Entwicklung der Figur war eine große Herausforderung für mich“, erinnert sich Gianluca Scigliano, denn: „Wie schafft man es, eine Figur zu entwickeln, mit der sich möglichst viele Menschen identifizieren können?“

In einer ersten Skizze skizzierte Gianluca Scigliano im November 2020 einige Ausgangsfragen. Diese Vorüberlegungen diskutierte der Zeichner mit Studierenden im Rahmen eines Ideen-Minings unter der Leitung von Marc Stallony (AFO). Darauf aufbauend konzipierte er die Figur ‚Sophie‘ und setzte ihre Eigenschaften in ersten Zeichnungen um: Sophie ist eine junge Frau, sympathisch, neugierig, spontan, ein wenig zerstreut und auf jeden Fall ein humanoides Wesen. Sie hat zwar keine übernatürlichen Kräfte, kann jedoch in Gegenstände und Situationen z. B. durch „Gedankenreisen“ hineintauchen.

In dieser Projektphase entwarf Scigliano diverse Zeichnungen von Sophie und der Eule und entwickelte diese stetig weiter. Die finalen Figuren wurden anschließend in größerer Tiefe ausgearbeitet und ihre optischen Merkmale inklusive ihrer Charaktereigenschaften Anfang 2021 in einem Manual festgelegt. So ist das Erkennungsmerkmal von Sophie ihr charakteristisches Äußeres, das eine Mischung aus einer gewissen Hippness mit sympathischer Nerdiness vermittelt: krauses rotes Haar, markante Augenbrauen über kreisrunden Augen und einer großen Brille, eine kleine spitze Nase, ein spitz zulaufendes Kinn sowie schmale, rechtwinklig abstehende Ohren. Neben Sophies Gesicht wurden zudem ihre Anatomie sowie ihre typischen Mitbringsel festgelegt und gezeichnet: ein Wollpullover in Übergröße, eine enge Jeans und sportliche Schuhe, bei Bedarf ein Rucksack oder eine Umhängetasche. Sophie ist zwar tendenziell weiblich, jedoch nicht im traditionellen Sinne; auch wird ihr Geschlecht (außer über den Vornamen) nicht explizit thematisiert. Sie soll nahbar sein und hat daher kleinere Makel, ihre Darstellung ist – etwa durch die spitzen Ohren – ein wenig abstrakt.

Letzteres gilt auch für die Eule, die nach einer öffentlich ausgeschriebenen Namensfindung 2022 auf den Namen ‚Oho‘ getauft wurde. „Die Idee, für Sophie ein Begleittier zu schaffen, entstand erst im Laufe der Entwicklung der Hauptfigur“, berichtet Gianluca Scigliano. In der antiken Mythologie ist die Eule ein Symbol der Weisheit, Klugheit und Besonnenheit – man denke an die Eule der Athene / Minerva. So ist Oho als Kontrast zur jungen, dynamischen, neugierigen, innovativen Sophie angelegt und dementsprechend älter, lebenserfahrener, ernst und altklug.

„Wir haben hier also ein Gespann aus zwei ganz unterschiedlichen Charakteren, ein Spannungsfeld zwischen progressiv und konservativ. Ich habe beide Extreme genommen und sie überspitzt. Der Zeichenstil von Sophie und Oho lässt sich am besten als ‚cartoonish‘ beschreiben, sie entfernen sich von einer rein naturalistischen Darstellung und sind karikiert“, erläutert der Zeichner. „Sophie und Oho sind ein ungleiches Paar, wie sie in Comics häufiger vorkommen – man denke etwa an Tim und Struppi. Diesen Ansatz, einen Charakter in zwei (gegensätzlichen) Personen darzustellen, kann man dann sehr gut als erzählerischen Trick benutzen.“ So erlaubt es diese Tier-Mensch-Konstellation und die daraus resultierende Figurendynamik, Interaktionen und Dialoge zwischen den beiden zu erschaffen, Spannungsbögen aufzubauen sowie Sachverhalte aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Sophie und Oho stehen im Mittelpunkt nahezu aller im Projekt geschaffenen Medien und sind die Protagonist*innen der um sie herum entstehenden Wissenschaftscomics.

Vom Fließtext zum Bild – Entstehung der Comics
Die zum Genre der Sachcomics gehörenden Wissenschaftscomics sind Kunstform und Bildungsmedium zugleich. Über ihre Visualität und die tendenziell kurzen, prägnanten Texte eröffnen sie einen intuitiven Zugang zu komplexen Sachverhalten und erleichtern die Auseinandersetzung mit ihnen. Dies schafft auch „Frag Sophie!“.

Fragen und Antworten, die sich durch eine gewisse Allgemeingültigkeit, potenzielle Bildhaftigkeit und Erzählbarkeit anbieten, werden vom Projektteam ausgewählt und in Zusammenarbeit mit Gianluca Scigliano als Comics umgesetzt. Bislang sind in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der Universität Münster 14 solcher Comics entstanden. Ihren Ausgang nehmen sie in der Regel von Alltagssituationen, in denen Sophie und Oho auf die gestellten Fragen stoßen. Entdeckend, ausprobierend und recherchierend gehen sie diesen Fragen nach und finden eine (oder auch mehrere) Antwort(en): Wie ist unser Sonnensystem entstanden? Woher kommt die Friedenstaube? Was ist Liebe? Warum können Vögel fliegen? Was hat Bioabfall mit unserer Zukunft zu tun?

Aus den ausgewählten Fragen und Antworten extrahiert Gianluca Scigliano die Kernaussagen und sucht einen Anknüpfungspunkt für die Geschichte. Diese wird in einigen Sätzen als Storyline notiert und nach einer anschließenden Bildrecherche in ein gezeichnetes Storyboard übersetzt. „Eine große Herausforderung bei der Entwicklung eines Comics ist die Kürze“, berichtet Gianluca. „Man kann zum Beispiel keine große Einleitung machen. Die jeweilige Frage muss zügig eingeführt werden. Und dennoch muss der Comic eine Geschichte rund um Sophie und Oho erzählen, nicht nur die reine Antwort geben.“ Nach der Diskussion von Storyline und Storyboard im Projektteam und Rücksprache mit dem*der betreuenden Wissenschaftler*in, dem Einfügen von Daten und Zahlen sowie einer sich gegebenenfalls anschließenden inhaltlichen Korrekturrunde fertigt der Illustrator schließlich eine Reinzeichung, koloriert sie und versieht sie mit Sprechblasen. Die Texte werden vom Projektteam in Abstimmung mit dem*der betreuenden Wissenschaftler*in entwickelt.

Auch dies ist für Gianluca Scigliano eine Besonderheit des Projektes: Nicht nur die Leser*innen, auch er selbst als Illustrator lernt die beiden Charaktere mit jedem ihrer Abenteuer besser kennen. Für die Entwicklung neuer Geschichten ist es wichtig, die Perspektive von Sophie und Oho einzunehmen. „Nehmen wir einmal das aktuelle Thema ‚Freiheit‘“, erklärt Gianluca Scigliano, „da muss ich die Charaktere gut kennen und mich in das jeweilige Charakterprofil hineindenken, um zu entwickeln, was Freiheit für Sophie und Oho bedeutet und dies dann umsetzen zu können.“

Mediale Transformationen – Skalierung
Die rund um Sophie entstandenen Illustrationen und Comics bergen großes Potenzial. Daher hat sich das Projektteam seit 2022 zum Ziel gesetzt, für die zahlreichen Bilder und Motive rund um Sophie weitere Verbreitungsformate zu finden. So werden die Comics nicht nur im Themenheft und auf der Webseite veröffentlicht, sondern auch unabhängig als kleine Comic-Broschüren produziert, für welche die Bildseiten allerdings neu arrangiert werden müssen. Als „Wissenshappen“, in denen Frage und Antwort mit einem Einzelbild illustriert werden, sowie als Spielkarten des Frag-Sophie-Quizkartenspiels „Fragen für neugierige Geister zum Grübeln“ erfahren  die für Instagram erstellten Zeichnungen eine Zweit- und Drittverwertung. Außerdem konnte mit der Lokalzeitung Westfälische Nachrichten eine langfristige Kooperation vereinbart werden: In den Jahren 2021–2023 erschienen die Comics in der WN, während aktuell die Wissenshappen von „Frag Sophie!“ auf der yangoKids-Seite der WN verwertet werden.

Das Projekt „Frag Sophie!“ ist also eine Plattform, die die Forschung an der Universität Münster einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht – niedrigschwellig, didaktisch eingebettet in die Welt der cleveren Comicfigur ‚Sophie‘ und vermittelt im Genre des Wissenschaftscomics. Die verschiedenen Projektmedien stehen Wissenschaftler*innen als Publikations- und Erklärformat ihrer Forschungsthemen zur Verfügung. Zusätzlich bietet „Frag Sophie!“ das Potenzial, Forschung und Wissenschaftskommunikation (noch stärker) auch in die Lehre zu integrieren.

Aus der Perspektive des Wissenstransfers, zu dem auch der Bildungsauftrag der Universität zur Stärkung des Vertrauens in die Wissenschaft gezählt wird, stehen „Frag Sophie!“ noch viele Möglichkeiten zur Weiterentwickung offen. Und es ist diese Dynamik eines wachsenden Projekts, die Gianluca Scigliano besonders gefällt: „‚Frag Sophie!‘ ist eines der wenigen illustrationslastigen Projekte, das durch seine Mehrjährigkeit eine stetige Fort- und Weiterentwicklung ermöglicht. Dies macht ‚Frag Sophie!‘ auch für mich als Illustrator besonders spannend: ‚Frag Sophie!‘ hat mittlerweile eine richtige Geschichte.“

| Katja Arens & Constanze Bartsch

Frage an die Wissenschaft? Frag Sophie! Auf der Webseite www.frag-sophie.de können Bürger*innen ihre Fragen einreichen. Interessierte Wissenschaftler*innen können sich nach offenen Fragen aus ihrem Fachbereich erkundigen und diese in der Lehre nutzen.