Ästhetische Zugänge zu Religion und Spiritualität
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Leitung:
Selma Durakovic & Prof. Dr. Mouhanad Khorchide

„Gott ist schön und Er liebt das Schöne“ (Sahih Muslim Nr. 131)
„Let yourself become lived poetry“ (Rūmī)

Inspiriert durch islamische Kultur, islamische Kunst und islamische Mystik werden in dieser Forschungsstelle verschiedene ästhetische Zugänge zum Islam untersucht und mit der religiösen Praxis, aber auch mit pädagogischen Methoden und Anwendungsfeldern, vor allem im Kontext des islamischen Religionsunterrichts, in Verbindung gebracht. Dabei wird Kunst als Medium der Entfaltung von verschiedenen Elementen der Persönlichkeitsentwicklung sowie der Spiritualität verstanden.  

Kunst und Ästhetik waren und sind seit Anbeginn der Menschheit Teil unserer Lebensrealität und fester Bestandteil von Kultur und Gesellschaft. Speziell auch die islamischen Kulturen und Gesellschaften, ja selbst die Religion als solche, sind ohne Ästhetik und Kunst nicht zu denken. Die wohl bekanntesten Formen von Ästhetik im Islam oder der islamischen Kultur sind die Koranrezitation, die islamische Kalligrafie, die islamische Malerei und die islamische Architektur. Auch der Koran selbst besitzt eine besondere literarische Qualität, denn seine Exemplare werden ästhetisch aufgewertet und er wird mit verschiedenen Melodien rezitiert. Zur Ästhetik gehören auch Musik, Bewegung (Tanz) sowie Design und Malerei, die in der Regel ausschließlich mit der säkularen Welt in Verbindung gebracht werden und von denen in religiösen Kontexten versucht wird, Distanz zu wahren. Obgleich diese Bereiche der Ästhetik und Kultur heute von vielen Muslim*innen als mit der religiösen Praxis unvereinbar gelten und sogar mit Sünde in Verbindung gebracht werden, gehen wir in unserer Arbeit im Rahmen dieser Forschungsstelle von einem positiven und bereichernden Bezug zwischen verschiedenen Elementen der Kunst und dem islamischen Glauben aus. Diese Vereinbarkeit soll vertieft und theologisch ergründet werden. Unsere Forschungsstelle umfasst das breite Fachgebiet der islamischen Ästhetik entsprechend den vielfältigen Bereichen und Medien, die sich unterschiedlich mit künstlerischem Denken und Schaffen sowie mit der Konzeption, dem Ausdruck und der Erfahrung von Schönheit im Islam befassen.  

Neben dem rein theoretisch-theologischen Interesse an diesem Thema spielt auch eine religionspädagogische Dimension eine zentrale Rolle als Motiv für unsere Arbeit. Denn immer mehr junge Menschen beklagen den fehlenden Lebensbezug der Religion. Religiöse Inhalte korrespondieren kaum mit der Lebenswirklichkeit junger Menschen, weshalb sie zunehmend das Interesse an Religion verlieren. Die Herstellung einer harmonischen sowie produktiven Beziehung zwischen den oben genannten Bereichen der Ästhetik, die Teil der Lebensrealität vieler junger Menschen heute sind, und dem Islam steht im Zentrum des Interesses unserer Forschungsarbeit. Je stärker Religion in der Lebenswirklichkeit junger Menschen Ausdruck findet, desto mehr fühlen sich diese angenommen und in den religiösen Kontexten beheimatet. Es ist letztendlich aus pädagogischen Gründen wichtig, dass sie nicht in ein Dilemma geraten, zwischen ihrer religiösen Identität auf der einen Seite und ihrer Lebenswirklichkeit auf der anderen Seite entscheiden zu müssen.     

Kunst und Ästhetik spielen nicht nur im religiösen Kontext eine wichtige Rolle, sondern bringen weitere Vorteile mit sich. Sie dienen zugleich als Stütze bei der Bewältigung von angestauten negativen Emotionen und werden daher in der Psychologie als therapeutische Ressourcen verwendet. Kunst ist zugleich ein Kommunikationsmedium, das Emotionen zum Ausdruck bringt, die man nicht in Worte fassen kann. Zahlreiche Studien zeigen, dass eine künstlerische Entwicklung sowie Selbstentfaltung und ein Grundverständnis für Ästhetik für das allgemeine und gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen wichtig sind. Man darf die Wirkmacht von Kunst auch im religiösen Bereich, im Besonderen im Religionsunterricht nicht unterschätzen. Denn zwischen Spiritualität und Ästhetik verläuft eine unmittelbare Verbindungslinie. Beide können sich gegenseitig befruchten. Und gerade die Entfaltung von Spiritualität durch Ästhetik eröffnet in besonderer Weise die Möglichkeit, sich von einem Verständnis vom Islam als starre Gesetzesreligion zu verabschieden. Ästhetische Elemente schaffen einen auf Liebe und Vertrauen basierenden Zugang zu sich selbst, zu Mitmenschen und vor allem zu Gott und helfen, die Gott-Mensch-Beziehung im Sinne einer Liebesbeziehung aufzufassen und Religion entsprechend zu praktizieren. Wir wollen auf aktuellen Studien aufbauen, die sich mit der Verknüpfung von Kunstformen als Ausdruck von Spiritualität beschäftigen.

Unsere Forschungsstelle widmet sich unter anderem der Frage, in welcher Weise populäre Kunst (wie Musik und Tanz) ihren Zugang in die Religionspädagogik und in den islamischen Religionsunterricht finden kann und welche Chancen/Möglichkeiten darin liegen.